Donnerstag, 19. Juni 2014

Traumwandlerische Unsicherheit

Der Glaube an das Schicksal. Die Gruppe C im Prophetendiskurs

Ralf Fischer / Junge Welt


Mein ambitioniertes Projekt als kongenialer Fußballprophet endete schon in der ersten Runde. Mit einer faustdicken Niederlage, tatsächlich sogar zwei faustdicken Niederlagen. Weder die griechischen Piraten noch die japanischen Samurai waren willens, meine in sie gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Im Gegenteil, die Griechen kapitulierten schon nach wenigen Minuten, während wenigstens die Japaner in der ersten Halbzeit noch den Anschein erweckten, daß die Elfenbeinküste möglicherweise als Verlierer den Platz verlassen würde. Doch Didier Drogba drehte das Spiel. Seine Einwechslung brachte die Japaner auf die Verliererstraße. Dort erst einmal angelangt, machten es sich die fernöstlichen Kicker gemütlich.

Mit traumwandlerischer Unsicherheit spazierten die Griechen 90 Minuten hinweg über den Platz, ihnen bleibt jetzt nur noch das Spiel um Platz drei in der Vorrundengruppe gegen Japan, damit sie nicht frühzeitig und mit Schimpf und Schande nach Hause fahren müssen. Für die Zuschauer dieses Spiels prognostiziere ich ein veritables Zugunglück. Eigentlich will man es nicht, muß aber trotzdem ständig hinsehen. Not gegen Elend, altersmüde Griechen treffen auf überforderte Japaner. Wenn der Schiedsrichter nicht das Salz in der Suppe ausmacht, dann wird es richtig häßlich. Keine der beiden Mannschaften kann es sich leisten zu verlieren. Aber bisher haben weder die Japaner noch die Griechen nachgewiesen, daß sie bei dieser WM auch nur ein Spiel gewinnen wollen.

Die kolumbianischen Spieler wirken dagegen äußerst motiviert. Das Schicksal von Andrés Escobar möchte kein Nationalspieler teilen. Der Abwehrspieler wurde nach einem Eigentor bei der Fußballweltmeisterschaft 1994 von einem Bodyguard und Fahrer mächtiger Drogenbosse erschossen. Aktuell berichten kolumbianische Medien, daß ein ELN-Guerillero namens »Mocho« seine Fußballbesessenheit mit einigen Jahren Freiheitsentzug bezahlen wird. »Der Kämpfer installierte in seinem Versteck eine Antenne mit Kabelanschluß und organisierte Verpflegung sowie alkoholische Getränke, um die WM zu verfolgen«, weiß Wolf-Dieter Vogel in der taz zu berichten. Das Verhalten seines Chefs empörte dessen unorthodoxen Bodyguard derart, daß dieser ihn bei den Behörden denunzierte. Kurz darauf wurde »Mocho« festgenommen.

Für die Elfenbeinküste wird der Einzug in die Endrunde gewiß kein Spaziergang. Wenn das Team seine Nervenschwäche abstellt und mit einem Drogba in Topform ist aber alles möglich. Der alternde Stürmerstar entpuppte sich im ersten Gruppenspiel als Lebensversicherung der Westafrikaner. »Ich glaube sehr an das Schicksal. Das alles ist schon lange vorher geschrieben worden«, verkündet der 36jährige Spieler von Galatasaray Istanbul selbstsicher. Leider haben weder er noch der Fußballgott mir voher verraten, welche Ergebnisse das Schicksal konkret im Auge hat. Im Diskurs der Fußballpropheten bin ich eher ein Federgewicht. Nur ein letzter Tip von mir: Egal was Sie tun, passen Sie verdammt noch mal auf ihren Bodyguard auf!

Wie geht’s aus? GRN-JAP 0:0, KOL-CIV 2:1

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