Donnerstag, 23. Januar 2014

Sie können auch anders

In mehreren Städten und Ortschaften ­haben Gegner von Flüchtlingsheimen auch ihre gewalttätige Seite gezeigt.

Ralf Fischer / Jungle World


Mit Deutschland-Flaggen ausgestattet, versperren sie symbolisch den Eingang der Flüchtlingsunterkunft im Berliner Ortsteil Hellersdorf. Einige Kameraden posieren mit den zwei Flaggen, andere müssen die Fotos gemacht haben. Diese sind für die Propaganda in den sozialen Netzwerken gedacht. Dort ist die Resonanz auf die »Nein zum Heim«-Kampagne größer als auf der Straße. Einmal auf den Gefällt-mir-Button zu drücken, ist mit weniger persönlichem Risiko behaftet, als auf der Straße zu demonstrieren. Nacht- und Nebelaktionen bieten einen ähnlichen Schutz vor un­erwünschter Öffentlichkeit.

In Hellersdorf entwickeln die organisierten Flüchtlingsfeinde einen neuen nächtlichen und manchmal auch gewaltsamen Aktionismus. In der Silvesternacht brachten sie gezielt Böller zur Detonation, die an die Glasscheiben im Eingangsbereich zweier Gebäude angeklebt worden waren. Die Scheiben zerbarsten, Menschen wurden nicht verletzt. Für einen Sachschaden im vierstelligen Eurobereich hatte in der Nacht zuvor eine starke Explosion in den Räumlichkeiten des Bündnisses »Hellersdorf Hilft« gesorgt. Die Initiative wurde vermutlich zum Ziel des Angriffs, weil sie die Koordination von Hilfsangeboten und Spenden für die Flüchtlinge übernommen hat.

Weniger gewaltsam, aber dennoch deutlich
richteten sich Gegner des Flüchtlingsheims gegen den Sozialsenator von Berlin, Mario Czaja (CDU). Vor seinem Wahlkreisbüro in Mahlsdorf befestigten Unbekannte in der vergangenen Woche ein schwarzes Banner mit der Aufschrift »Nein zum Heim«. Noch am selben Abend verbreitete die »Bürgerbewegung Hellersdorf« ein Bild von der Aktion im Internet und kommentierte in drohendem Ton: »Er ist der Hauptverantwortliche für das Asyldesaster in ganz Berlin! Wer mit ehemaligen SED-Kadern Hand in Hand Politik gegen das deutsche Volk betreibt, muss in der Öffentlichkeit zur Rede gestellt werden!«

Am Wochenende wurde dann ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes vor einem der Heimgebäude in Hellersdorf auf rassistische Weise beleidigt. Eine Gruppe von etwa zehn Personen posierte vor der Einrichtung, um offenbar ein Musikvideo zu drehen. Als ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes sie aufforderte, das Grundstück zu verlassen, wurde er aus der Gruppe heraus beschimpft. Alarmierte Polizisten stellten die Amateurfilmer, nach Angaben der Polizei gehören mindestens zwei Männer der »rechten Szene« an. Öffentlich bekannt ist der Rapper Villain051, um dessen Videodreh es sich handelte. In seinem Song »Deutsch und stolz« rappt er: »Deutscher Stolz, das ist Villain051, Wichser, ich bin ein böser Nazi, wollen sie den Kids eintrichtern. Ich gebe niemals auf, ich lebe diesen Traum. Freie Menschen, freie Länder, jedem Volk den ­eigenen Raum.«

Auch andernorts geht es keineswegs ruhig zu. Im bayerischen Germering bei München brannte Anfang Januar ein Gebäude, in dem auch Flüchtlinge untergebracht waren. In dem Komplex lebten insgesamt 60 Personen. Es wurde niemand verletzt, ein Bewohner entdeckte das Feuer rechtzeitig und alarmierte seine Mitbewohner, die in den hinteren Räumen des Gebäudes schliefen. Der vordere Teil, wo sich die Büros der Heimleitung befanden, wurde zerstört. Ein technischer Defekt wird ausgeschlossen. Zwei Zeugen haben unabhängig voneinander angegeben, einen Mann im Alter von etwa 30 Jahren gesehen zu haben, der sich an dem Gebäude zu schaffen gemacht habe. Medienberichten zufolge gab es in Germering bisher keine rassistischen Proteste, die von der Caritas betriebene Flüchtlingsunterkunft besteht bereits seit 1993.
Im hessischen Wohratal verschafften sich in der vorigen Woche vier junge Männer gewaltsam Zutritt zum örtlichen Flüchtlingsheim. Nachdem sie fast alle Jalousien des Erdgeschosses beschädigt hatten, drangen sie ins Gebäude ein, wo sie Türen beschädigten. Die Täter flüchteten, ohne die Bewohner anzugreifen, hinterließen aber einen Sachschaden von mehreren tausend Euro. Eine schwangere Frau wurde angesichts ihrer Angstzustände vorsorglich zur Untersuchung ins Krankenhaus eingeliefert. Die vier Männer wurden mittlerweile von der Polizei ausfindig gemacht.

Ein etwas anders gelagerter Fall ereignete sich im Kreis Hildesheim.
Dort stürmten acht Männer Anfang Januar die Wohnung einer Roma-Familie. Nachdem sie lautstark an die Tür geklopft hatten, öffnete der Familienvater. Einer der Männer schlug ihm daraufhin mit der Faust, in der er eine Pistole hielt, ins Gesicht. Dann forderten die Eindringlinge Geld. Völlig eingeschüchtert übergab der Familienvater ihnen 1 300 Euro. Was zunächst wie ein gewöhnlicher Raubüberfall wirkt, könnte durchaus einen anderen Hintergrund haben. Aussagen der Familie zufolge trugen einige Angreifer Springerstiefel und kurz geschorene Haare. »Nach der äußeren Beschreibung der ­Täter und dem Eindruck der Familie ist davon auszugehen, dass es sich um Neonazis handelte«, sagte Sigmar Walbrecht vom niedersächsischen Flüchtlingsrat dem Neuen Deutschland.

Während dieser Angriff noch ungeklärt ist, konnte die Polizei in Brandenburg im Fall eines rassistisch motivierten Angriffs einen Erfolg vermelden. Ein 20jähriger gestand die Attacke auf eine zukünftige Flüchtlingsunterkunft in Premnitz. Gemeinsam mit einem 17jährigen Komplizen soll er an der verschlossenen Eingangstür des leerstehenden Gebäudes einen Brand gelegt haben. Der Helfer bestreitet aber die Vorwürfe. Beide wurden nach den Vernehmungen mangels Haftgründen wieder entlassen. Weil er damals Naziparolen gerufen haben soll, wurde gegen den geständigen jungen Mann bereits vor einigen Jahren ermittelt. Das Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft Potsdam eingestellt.

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