Donnerstag, 31. Oktober 2013

Der Mob und die Nazikader

Im sächsischen Schneeberg protestiert die NPD gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in einer ehemaligen Kaserne – mit beachtlichem Erfolg.

Ralf Fischer / Jungle World


Es ist wie bei einem schlechten Déjà-vu. Als vor beinahe drei Jahren der Beschluss zur Unterbringung mazedonischer Sinti und Roma in der ehemaligen Jägerkaserne in Schneeberg bekannt wurde, organisierten regionale NPD-Kader die ersten Proteste. Daraufhin versprach die Verwaltung auf einer Bürgerversammlung den aufgebrachten Schneebergern, dass die Erstaufnahmeeinrichtung spätestens nach einem Jahr wieder geschlossen werden solle (Jungle World 1/2011). Dies gelang der zuständigen Landesdirektion Chemnitz, indem sie die Flüchtlinge zur »freiwilligen Ausreise« drängte.

Seit August ist die Landesdirektion wieder gezwungen, Flüchtlinge in der Kaserne unterzubringen, da die sächsische Erstaufnahmestelle in Chemnitz überbelegt ist. Als dann Ende September die Zahl der Flüchtlinge in Schneeberg von 200 auf 450 erhöht werden musste, war die lokale NPD wieder mit ihrer sozialchauvinistischen Propaganda zur Stelle. Bei einer Bürgerfragestunde kamen aus dem Publikum die altbekannten Ressentiments zur Sprache. »Warum erfahren wir nichts davon, wenn geklaut wird?« fragte eine empörte Schneebergerin die anwesende Polizei. Es waren die gleichen irrationalen Ängste, die die Gegner des Flüchtlingsheims schon einige Jahre zuvor geäußert hatten. Doch diesmal vermochte kein Offizieller, die baldige Abreise der Flüchtlinge zu versprechen.

Die NPD setzt auf den Druck der Straße. Zum ersten Aufmarsch gegen die Unterbringung in Schneeberg kamen nur knapp 100 Personen. Bei der Abendveranstaltung trugen viele Teilnehmer Fackeln und der Kreisvorsitzende der NPD und Gemeinderat aus dem Nachbarort Bad Schlema, Stefan Hartung, hielt auf dem Marktplatz eine kurze Rede. Diese nicht angemeldete Demons­tration sollte erst der Auftakt sein. Dabei verfolgt die NPD in Schneeberg die gleiche Strategie wie in Berlin-Hellersdorf oder der Gemeinde Pätz in Brandenburg. Offiziell tritt sie nicht als Veranstalter in Erscheinung, doch Organisatoren, Ordner und Redner rekrutieren sich beinahe ausschließlich aus den Reihen der NPD. Während diese Strategie weder in Berlin noch in Brandenburg wirklich aufging, kann man im Erzgebirge beobachten, was passiert, wenn es den Neonazis gelingt, über ihr übliches Milieu hinaus zu mobilisieren.

Am ersten »Schneeberger Lichtellauf« gegen die Unterbringung von Flüchtlingen beteiligten sich Mitte Oktober weit über 1 000 Personen, in einer Stadt mit knapp 15 000 Einwohnern. Mit dem Ruf »Wir sind das Volk« auf den Lippen, Fackeln, Hitlergruß und Schildern, auf denen »Wir sind Bürger, keine Nazis« stand, marschierten die Schneeberger »gegen Asylmissbrauch«. Eine 16jährige Rednerin gestand auf der Auftaktkundgebung: »Persönlich habe ich Ausländer als Freunde, welche auch arbeiten gehen, die Gesetze anerkennen und sich gut integriert haben.« Dass es den Asylbewerbern verboten ist, arbeiten zu gehen, scheint sich nicht bis nach Schneeberg herumgesprochen zu haben. Ebenso wenig, dass ein mit Fackeln bewaffneter Mob kontraproduktiv für das Gelingen von Integration ist. Aber darum ging es weder ihr noch den Demonstranten. Am Ende ihrer Rede kam sie zum Punkt: Sie möchte sich in Schneeberg wieder bewegen können, »ohne Angst zu haben, angebaggert, bedroht oder beklaut zu werden«. Dafür erntete sie kräftigen Applaus.

Während ihrer Rede war die Schülerin umringt von NPD-Kadern. Zur ihrer Rechten stand Rico Illert, Stadtrat in Schneeberg, links daneben Hartung. Prominentester Redner war der Landtagsabgeordnete und ehemalige Vorsitzende der sächsischen NPD, Mario Löffler. In seiner Rede zog er über die »mazedonischen Zigeuner« her, die »keinen Anspruch auf Asyl« hätten und nur nach Deutschland kämen, »um die deutschen Sozialleistungen und die Rückkehrprämie« zu kassieren. Löffler drohte zum Abschluss seiner Rede: »Wir kommen wieder, um friedlich zu protestieren gegen Asylmissbrauch und Überfremdung! Wir stehen fest an der Seite von Volk und Heimat, denn wir sind das Volk!« Nur wenige Schneeberger widersprachen ihm. Auf einem Familienfest, zu dem alle demokratischen Fraktionen im Schneeberger Stadrat aufgerufen hatten, versammelten sich eine Woche später nur wenige Hundert Besucher. Die Initiative »Schneeberg für Menschlichkeit« wollte damit nicht nur ein Zeichen der Solidarität mit den Flüchtlingen setzen, sondern auch den Marktplatz besetzen. Doch bislang gelang es nicht, die Rechten in die Schranken zu weisen. Für den 2. November ruft die NPD zum nächsten »Lichtellauf« auf. Unter dem Motto »Fragt uns Bürger! Wir sagen Nein zum Asylmissbrauch« wollen die Neonazis vom Marktplatz aus durch die Stadt ziehen. Eine weitere Demonstration im November ist schon angemeldet.

Am Ende könnten sich die Schneeberger damit aber selbst schaden. Der Bürgermeister Frieder Stimpel (CDU) berichtet, dass erste Reiseveranstalter die Stadt in Zukunft meiden wollen. Vor allem für das überregional bekannte »Lichtelfest« könnte das ein herber Schlag sein. Am zweiten Adventwochenende kommen jährlich Tausende Besucher in die Stadt, um die Souvenirs der bergmännischen Tradition und des Erzgebirger Schnitzhandwerks zu besichtigen und käuflich zu erwerben. Löffler ist von Beruf Kaufmann im Großhandel für Schnitzerei und Holzkunst.

Donnerstag, 24. Oktober 2013

Kein Platz in Brandenburg

Die Unterbringung von Flüchtlingen in Brandenburg ist katastrophal. Rassistische Proteste nehmen zu.

Ralf Fischer / Jungle World


Seit Monaten kann das Land Brandenburg die Mindeststandards für Flüchtlingsunterbringung nicht einhalten. Im Erstaufnahmelager Eisenhüttenstadt, das nur als Durchgangsstation gedacht ist, liegt die maximale Auslastung bei 500 Plätzen. Derzeit leben dort 745 Menschen. Provisorisch werden Container aufgestellt, mittlerweile wird auch die Turnhalle zweckentfremdet. »Seit ungefähr drei Wochen mussten wir sie jetzt mit Betten aus dem Katastrophenschutzlager bestücken. Und peu à peu haben wir jetzt alle alleinreisenden Männer, die hier ankommen, in diese Turnhalle gelegt. Sie sehen jetzt momentan 50 Betten, alles voll belegt«, sagte Frank Nürnberger von der Erstaufnahmestelle dem RBB.

Anstatt der sechs Quadratmeter Platz, die jedem Asylbewerber zustehen, gibt es in Eisenhüttenstadt derzeit gerade mal zwei Quadratmeter. In Zimmern mit bis zu zehn Betten warten die Flüchtlinge auf die Unterbringung in den Landkreisen. Laut Gesetz soll das höchstens drei Monate dauern. Doch die Landkreise spielen oft auf Zeit.

Acht Landkreise stehen auf einer »Schwarzen Liste« der brandenburgischen Landesregierung, sie alle haben ihre Aufnahmequote nicht erfüllt. Auch die Landeshauptstadt Potsdam steht auf der Liste. Der Landkreis Märkisch-Oderland nahm bisher gerade einmal halb so viele Asylbewerber auf wie vorgeschrieben. Für den stellvertretenden Landrat Lutz Amsel (Linkspartei) ist alles eine Frage der Kosten und des Aufwands. »Nach vier Jahren fallen die Asylbewerber in den Kosten dann an den Landkreis. Das heißt, je mehr ich aufnehme, desto mehr Kosten habe ich natürlich dann auch«, sagte er dem RBB. Nach dieser Devise handeln viele Landkreise in Brandenburg. Aus der Not heraus bringt das Land Brandenburg seit Ende September über 30 Flüchtlinge auch im Abschiebegefängnis des neuen Flughafens Berlin-Schönefeld unter.

Um diese Zustände zu ändern, fordert die brandenburgische Landesregierung die Kommunen auf, rasch Platz für angemessene Unterkünfte bereitzustellen. Ansonsten werde sie Platz schaffen. Das Sozialministerium hat neun Landkreisen und kreisfreien Städten Fristen gesetzt, eine bestimmte Zahl von Flüchtlingen aufzunehmen. Aber dort, wo die Landkreise neue Kapazitäten zur Unterbringung anbieten, kommt es oft zu Protesten der Anwohner, gelenkt von Neonazis.

In Pätz, einem Ortsteil von Bestensee, mobilisiert eine Bürgerinitiative mit dem Slogan »Nein zum Heim in Pätz – Wir stellen uns quer« gegen die Unterbringung von 154 Flüchtlingen im Technologie- und Bildungszentrum (TBZ). Die Initiative möchte verhindern, dass Anfang kommenden Jahres die ersten Flüchtlinge in das nicht genutzte Zentrum einziehen. Die Kommentare auf der zugehörigen Facebook-Seite kennt man schon aus Marzahn-Hellersdorf zur Genüge: »Wir sagen klar: Stoppt die Asylflut! Deutsches Geld zuerst für deutsche Interessen!« Oder: »Ich will eine sichere Zukunft für mein Kind und nicht, dass es zwischen Flüchtlingen und Schmarotzern aufwachsen muss.« Oder einfach: »Zerlegt das TBZ.« Bei einer Informationsversammlung für die Bürger von Pätz drohten vorige Woche nicht wenige Anwohner mit einem Pogrom. »Bis es wieder brennt« war ebenso zu hören wie der Zwischenruf, dass das Asylbewerberheim besser in Hoyerswerda oder Rostock aufgehoben sei. Hinter den Drohungen steckt noch mehr: Im November 1992 wurde im benachbarten Dolgenbrodt das neu errichtete Asylbewerberheim kurz vor dem Bezug durch Brandstiftung vollständig zerstört. Die Täter konnten erst Jahre später ermittelt werden, zudem stellte sich heraus, dass mehrere Bürger des Ortes Geld gestiftet hatten, um die Brandstifter anzuheuern.
Die rund 150 Neonazis aus Berlin und Brandenburg, die vorige Woche zur Veranstaltung nach Pätz angereist waren, mussten sich vor der Tür versammeln, da nur Anwohner zugelassen wurden. Auf der zugleich stattfindenen Kundgebung tönte der NPD-Kreistagsabgeordnete Frank Knuffke: »Der Kampf beginnt erst heute! Wir lassen nicht nach. Wir werden trotzdem kämpfen gegen dieses Scheißasylantenheim.«

In Premnitz blieb es nicht nur bei Ankündigungen. Mitte September versuchten dort Unbekannte, das geplante Flüchtlingsheim in einer ehemaligen Schule anzuzünden. Die Täter stellten mehrere Mülltonnen, die zur Abfuhr auf der Straße standen, vor den Eingang des ehemaligen Schulegebäudes und zündeten sie an. Es kam nur zu einem leichten Schachschaden. Die Botschaft war aber klar. Seit der Landkreis Havelland beschlossen hat, in einem Wohngebiet die Unterbringung der Flüchtlinge zu organisieren, versucht die Stadt, dies zu verhindern. Stattdessen will sie die Flüchtlinge in einer abgelegenen Kita-Ruine oder einem Wohnblock im Gewerbegebiet unterbringen. Neonazis befestigten an der ehemaligen Schule ein Transparent mit der Aufschrift: »Asylheim, nein danke!!! Nistet Euch woanders ein. Heimreise statt Einreise«. Anfang September kam es dann zum Aufmarsch. Unterstützt von Mitgliedern der freien Kameradschaften demonstrierte die NPD gegen das geplante Flüchtlingsheim.

Dass es auch anders geht, beweist seit kurzem die Stadt Potsdam. Sie plant bis zu 70 Asylsuchende in zwei Wohnblöcken des städtischen Wohnungsunternehmens unterzubringen. Das wäre auch in Premnitz möglich. Die Wohnungsbaugesellschaft Premnitz (PWG) schließt nicht aus, dass man leerstehende Wohnungen zur Verfügung stellt. »Ich sehe alternative Möglichkeiten zu der jetzt geplanten Gemeinschaftsunterkunft, die den Landkreis nicht überfordern würden«, sagte der Geschäftsführer der PWG der Märkischen Allgemeinen. Bisher fehle nur der politische Wille dazu.

Donnerstag, 10. Oktober 2013

Trio mit acht Fäusten

Trotz der Untersuchungsausschüsse und des Prozesses wirft die Aufklärung des NSU-Terrors mehr Fragen auf, als sie Antworten liefert.

Ralf Fischer / Jungle World



Erhielten die Rechtsterroristen bei ihren Morden und Anschlägen logistische Hilfe von örtlichen Kameraden? Welche neonazistischen Kreise unterstützten die drei Untergetauchten? War Beate Zschäpe ein gleichberechtigtes Mitglied der Terrorgruppe oder nur eine Gehilfin von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos? Solche und weitere Fragen drängten sich interessierten Beobachtern in den vergangen Monaten immer wieder auf. Wie gelangte etwa die Nachricht von Böhnhardts und Mundlos’ Tod in Eisenach zu Zschäpe nach Zwickau? Hat sie persönlich Bekennerschreiben bundesweit verteilt? Und gibt es womöglich ähnliche Gruppen wie den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) in Deutschland? Statt Antworten zu liefern, warfen die bisherigen Ermittlungen zumeist nur weitere Fragen auf.

So verbrannte Mitte September der 21jährige Florian H. in der Nähe von Stuttgart in seinem Auto, kurz bevor ihn der baden-württembergische Staatsschutz verhören konnte. Er sollte zu möglichen Komplizen des NSU befragt werden. Bereits im Januar 2012 wurde H. als mutmaßlicher Zeuge für eine Aussage zum Polizistenmord in Heilbronn vorgeladen, die Polizei war während ihrer Ermittlungen durch einen anonymen Hinweis auf ihn gestoßen. In der Vernehmung bestritt Florian H. jedoch, etwas über den Mord an der Beamtin Michèle Kiesewetter zu wissen.

Stattdessen berichtete er den ermittelnden Polizisten von einer regionalen Organisation mit dem Namen »Neoschutzstaffel«. Diese bezeichnete er als »zweite radikalste Gruppe« neben dem NSU. Zudem berichtete er von einem Treffen der beiden Gruppierungen im benachbarten Öhringen. Doch weder konnte er sagen, wann das Treffen stattgefunden, noch wer an diesem Treffen teilgenommen hatte. Den ermittelnden Beamten zufolge waren die Aussagen des Zeugen nicht zu verifizieren. Aber im Rahmen der Untersuchungen der Ermittlungsgruppe »Umfeld«, deren Aufgabe es ist, die Verbindungen des NSU zur rechtsextremen Szene in Baden-Württemberg aufzuklären, sollte Florian H. im September noch einmal befragt werden. Doch da war er schon tot. Obwohl kein Abschiedsbrief gefunden wurde, geht die Polizei von einem Selbstmord aus.
Aus den bisherigen Ermittlungen gegen den NSU lässt sich schließen, dass Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe über Jahre hinweg persönliche Verbindungen in die Region um Heilbronn und Ludwigsburg unterhielten. Auf einer Adressenliste, die 1998 in der Garage von Mundlos gefunden wurde, befanden sich Namen von Menschen aus dem Raum Ludwigsburg, noch nach dem ersten Mord im September 2000 soll das Trio an Neonazi-Partys in Ludwigsburg teil­genommen haben.
Die Bundesanwaltschaft beharrt jedoch weiterhin in ihrer Anklage darauf, dass Mundlos, Zschäpe und Böhnhardt keine weiteren Komplizen bei ihren Mordtaten hatten. Dabei mehren sich die Hinweise auf weitere Unterstützer. So fanden sich im Brandschutt der Zwickauer Wohnung ein auf Zschäpe ausgestellter Ausweis eines Tennisklubs in Nürnberg sowie Artikel aus bayerischen Re­gionalzeitungen über die NSU-Morde. Da diese Zeitungen in Zwickau nicht vertrieben werden, könnten sie dem Trio von örtlichen Mitwissern zugeschickt worden sein. Ebenso ungeklärt ist, wer den unfrankierten Umschlag mit der Bekenner-DVD im November 2011 bei den Nürnberger Nachrichten einwarf. Die Kontaktliste des NSU-Trios nach Bayern ist ebenfalls lang.

In Bayern meldete sich auch die erste Zeugin, die Zschäpe in der Nähe eines Tatorts gesehen haben will. Die Frau wartete nach eigener Aussage in der Schlange an der Kasse eines Supermarkts in Nürnberg und beobachtete, wie gegenüber dem Gebäude zwei männliche Personen auf einem Spielplatz standen. Nur wenig später wurde direkt nebenan der Imbissbesitzer Ismail Yaşar getötet. Zugleich stand in der Kassenschlange eine Frau, die die Zeugin als Zschäpe identifizierte. Auch eine zweite Zeugin hat mittlerweile interessante Details geliefert. Die Dortmunderin gibt an, 2006 das NSU-Trio gemeinsam mit einem bulligen Skinhead auf dem Nachbargrundstück beobachtet zu haben. Vor dem Grundstück soll ein Wohnmobil mit einem Kennzeichen aus Zwickau oder Chemnitz gestanden haben. Nachts habe der bullige Mann in Camouflage-Hosen im Garten Grabungen vorgenommen. Die bisherigen Ermittlungen ergaben jedoch, dass der Besitzer des Grundstückes ein Skinhead ist, seine Frau über eine gewisse Ähnlichkeit mit Zschäpe verfügt, die Söhne auf Namen wie Ole Odin und Jone Aryan Thor hören und im Garten damals ein Teich ausgehoben werden sollte.

Ob Zschäpe direkt an den Mordvorbereitungen beteiligt war, ist ein wichtiges Teil des Puzzles, nicht nur für die Bundesanwaltschaft. Dabei gerät jedoch die Frage nach einer möglichen vierten beteiligten Person außer Acht. Noch immer ist nicht bekannt, wie Zschäpe vom Tod ihrer beiden Kameraden erfuhr. Zur Tatzeit surfte sie im In­ternet. Die erste Meldung über den Fund zweier Leichen in einem Vorort von Eisenach lief am 4. November 2011 eine Minute vor 14 Uhr über ein südthüringisches Nachrichtenportal. Ihrem PC-Protokoll zufolge rief Zschäpe diese Seite nicht auf. Um 14.30 Uhr schaltete sie ihren PC aus, kurz zuvor hatte sie noch nach »fleisch von freilaufenden tieren zwickau« gegoogelt.

Mittlerweile hat die Auswertung der Funkzellenabfrage einen Hinweis ergeben. Um 9.30 Uhr, also etwa zwei Stunden vor dem Tod von Mundlos und Böhnhardt, wählte sich eine schwedische Telefonnummer in die Funkzelle ein, in deren Bereich sich das Wohnmobil der beiden befand. Eine Stunde lang blieb das Mobiltelefon im Internet. Um 12.26 Uhr tauchte die Nummer dann in Zwickau auf, und zwar im Bereich der Funkzelle, die auch die Frühlingsstraße abdeckt, wo sich Zschäpe in der gemeinsamen Wohnung des Trios aufhielt. Bis 13.54 Uhr war das Handy im Internet eingeloggt. Bisher konnten die schwedischen Behörden nicht ermitteln, wer der Inhaber der Nummer ist. Es soll sich um ein Prepaid-Telefon eines norwegischen Betreibers handeln. Auch Zeugenaussagen legen die Anwesenheit einer vierten Person nahe: Während die damals eingesetzten Polizisten sagen, sie hätten in der Nähe des Wohnmobils niemanden gesehen, haben zwei Anwohner ausgesagt, ein Mann sei vor dem Brand aus dem Fahrzeug gesprungen.

Zschäpe, da legt sich die Bundesanwaltschaft fest, soll nach dem 4. November 2011 mindestens 15 adressierte und frankierte Umschläge mit dem Bekennervideo an verschiedenen Orten bei der Post aufgegeben haben, nur den an die Nürnberger Nachrichten nicht. Auch wurde ihr Weg, nachdem sie die Wohnung verlassen hatte, halbwegs rekonstruiert: Von der Zwickauer Innenstadt aus rief sie über ihr Mobiltelefon ihren mutmaßlichen Vertrauten André Eminger an, der im NSU-Prozess unter anderem wegen Beihilfe zum Mord, Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung angeklagt ist. Nach einer halben Stunde holte er sie ab. Wohin die Reise ging, ist den Ermittlern jedoch nicht bekannt. Glauchau bei Zwickau gilt als mögliches Ziel. Zwar wurde von einer Telefonzelle in Glauchau aus Emingers Handy mehrmals angewählt, aber ein Versteck wurde bisher nicht gefunden. Das Rätselraten geht also weiter, trotz der Ermittlungen, der Untersuchungsausschüsse und des Prozesses.