Freitag, 19. April 2013

Schmeiß sie raus!

Eine Autonomen-Legende gibt sich die Ehre und fährt Taxi durch die extreme Mitte: »Punkrocktarif« von Yok

Ralf Fischer / Junge Welt


Berliner Taxifahrer haben nicht den besten Ruf. Der mit Berliner Schnauze begleitete Hang zur Lässigkeit kann ganz schön nerven. Jetzt schlägt ein Taxifahrer mit Droschken-Stories zurück und zwar von linksaußen: Hier schreibt kein gescheiterter Akademiker, der seinem Hang zur Wichtigtuerei nachgeht, sondern der Autor ist ein über die Stadtgrenzen hinaus erfolgreicher Punkrocker. Eine alte autonome Legende. Viele kennen ihn noch unter dem Namen Quetschenpaua, den Jüngeren ist er als Sänger von Tod- und Mordschlag oder Revolte Springen bekannt. Mitte der 90er Jahre galt er als eine wichtige autonome Sozialisierungsinstanz in diesem Land. Seine Lieder waren die klammheimlichen Hymnen der Bewegung. Wenn die rüstige Rentnerin Liselotte Meier den Neonazis die Hölle heiß machte, der Pflasterstein von der Scheibe der Deutschen Bank zurückflog oder gleich das KaDeWe am Kurfürstendamm brannte, dann schlugen die Herzen der Autonomen höher. Anarchismus mit Sexappeal, verbunden mit der Fähigkeit, auch über sich selbst zu lachen, das waren die Markenzeichen von Yok.

»Mit dem Taxi durch die extreme Mitte«, so der Untertitel des Buches, ist eigentlich ein wahres Panoptikum des Grauens. Alkoholleichen aus ihren Stammlokalen abzutransportieren, gestreßte Touristen durch die Stadt zu kutschieren oder einfach nur feiste Dummdeutsche zu erleben, denen es gefällt, endlich einen deutschen Taxifahrer als Chauffeur vor sich sitzen zu haben, und die dies auch noch lauthals von sich geben müssen, sind eine Last, die nur schwer zu ertragen ist. Am besten geht das bekanntlich mit Humor. Ob als Jude, Türke, Pole oder Schwarzafrikaner, Yok schlüpft gern in die Rolle, welche ihm die entgegengebrachten Ressentiments quasi vorgeben und konfrontiert damit seine erstaunten Kunden. Eine clevere Methode, den Kopf nicht hängen zu lassen und gleichzeitig kein deutscher Sauertopf zu werden.

Yoks Rollenwechsel hat sogar etwas Pädagogisches. Da wäre zum Beispiel eine Kommunistin, die ihre Vorurteile gegen Türken ungefragt hinausposaunt, urplötzlich aber feststellen muß, daß Yok – als angeblicher türkischer Taxifahrer – keineswegs solch einen stechenden Blick sein eigen nennt, wie sie glaubt, er wäre bei »den Türken« üblich. Oder wenn der über »die Juden« lästernde libanesische Mitfahrer überraschend erzählt, daß er zwei Jahre lang mit einer Jüdin liiert war. Yok vergißt nie, seinen Fahrgästen Widerworte anstatt netter Floskeln mitzugeben. Und wer es übertreibt, der wird flugs rausgeworfen.

Genau wie jener Saunabesucher, der sich lieber zum gemeinsamen Schwitzen im Prenzlauer Berg verabredet als in Charlottenburg, denn dort würden sich einfach zu viele »Kanaken« tummeln. Auf die Nachfrage von Yok, wen er denn genau mit der Bezeichnung »Kanake« meine, erfolgte die typische Antwort: »Araber, Albaner, Türken und so was«. Auf einmal geht es dann ganz schnell. »Raus! Scheißrassist!« Ausreden waren zwecklos. Die Fahrt war beendet. Wie oft er schon Rassisten seiner Droschke verwiesen hat, wird er selbst nicht mehr genau wissen. Sein Motto lautet: »Wenn du sie nicht besiegen oder überzeugen kannst, dann verwirr’ sie!«

Nach der Lektüre des Buches möchte man an die Taxistände gehen und mit dem Megaphon rufen: »Taxifahrer aller Länder macht es ihm nach!« Und: Man kann es kaum erwarten, endlich in Berlin-Mitte zu Yok ins Taxi zu steigen und nach dem Punkrocktarif für gute alte Fans zu fragen…


Yok: Punkrocktarif - Mit dem Taxi durch die extreme Mitte. Gegen-Kultur Verlag, Stuttgart 2012, 154 Seiten, 10 Euro