Freitag, 15. Februar 2013

Immer nur Streß

Dresdner und Cottbuser Fans stehen in der Kritik

Ralf Fischer / Junge Welt


Unsere Probleme auf dem Spielfeld sind anstrengend genug«, diktierte Seffen Menze, Sportchef von Dynamo Dresden, nach dem 0:3 in Kaiserslautern den Journalisten ins Mikrofon. Der sächsische Traditionsklub hat mal wieder mit den eigenen Fans zu kämpfen. Beim Auswärtsspiel gegen den 1. FCK zündeten sie mehrmals Pyrotechnik im Block, nach dem Spiel kam es zu schweren Ausschreitungen mit gegnerischen Fans und der Polizei. Rein sportlich betrachtet stecken die Dresdner übrigens mitten drin im Abstiegskampf.

Freitag abend, ein Flutlichtspiel. Die Stimmung auf dem Betzenberg unterstreichen die Heimfans mit Hunderten Wunderkerzen, im Block von Dynamo Dresden dagegen brennen über ein Dutzend Bengalos. Sächsische Hooligans versuchen zeitgleich, den Nachbarblock zu stürmen. Nach dem Spiel zerstören vermummte Dresdner Anhänger mehrere Shuttlebusse, in denen sich nicht nur Lautern-Anhänger in Todesangst zu verstecken suchen. Anschließend betont der Einsatzleiter der Polizei, solche Ausschreitungen in seiner Karriere noch nie erlebt zu haben. Der Sachschaden beläuft sich auf rund 70000 Euro. Es soll zwei Verletzte gegeben haben.

Nach den Ausschreitungen in Dortmund und Hannover nun also auch in Kaiserslautern. Der Geschäftsführer von Dynamo, Christian Müller, sieht einen deutlichen Zusammenhang: »Es scheint Strömungen bei uns zu geben, die Unterlegenheit auf dem Feld gegen vermeintlich große Klubs mit anderen Aktionen kompensieren.« Peter Pacult, Dynamos Trainer aus Österreich, hat dagegen einen etwas gelasseneren Blick auf die Vorkommnisse: »Warum man jetzt wieder auf die Dynamo-Fans losgeht? Es passiert in jedem Stadion irgend etwas. Auch Wunderkerzen gehören zu Pyrotechnik.« Bestraft werde aber immer nur Dynamo.

Geschäftsführer Müller rechnet mit einer deftigen Geldstrafe vom DFB. In der Hoffnung, diese Strafe etwas abzumildern, will der Verein auf die Kartenkontingente für die drei Auswärtsspiele in Aue, Braunschweig und Berlin freiwillig verzichten. Für den Fall, daß in den nächsten Wochen ein »Dialog« mit den Fans zustandekommen sollte, wollen die Verantwortlichen noch einmal endgültig überprüfen, ob das Kartenkontingent für das Spiel gegen Union Berlin zurückgegeben wird.

Auch der Traditionsverein aus der Lausitz, Energie Cottbus, steht in der Kritik wegen seiner Fans. Der Brandenburger Verfassungsschutz befaßt sich seit einiger Zeit mit der Ultragruppe »Inferno Cottbus« wegen deren fester Verankerung in der örtlichen Neonaziszene. Dem Verein wirft die brandenburgische Verfassungsschutz-Chefin Winfriede Schreiber öffentlich vor, nicht genügend gegen die rechtsextremen Aktivitäten seiner Fans vorzugehen.

Energie-Klubpräsident Ulrich Lepsch weist dies entschieden zurück. Im vergangenen Jahr habe man acht Aktionen gegen rechts im Verein gestartet und gegen 15 Inferno-Ultras Stadionverbote verhängt. Mehr könne ein Sportverein nicht tun.

Freitag, 1. Februar 2013

Betreten verboten

Wenn antirassistische Ultragruppen aufgeben, kehren die Hooligans in die Fußballstadien zurück

Ralf Fischer / Junge Welt


Braunschweig, Rostock, Dresden, Aachen und Düsseldorf. Fünf traditionsreiche Fußballklubs und das gleiche Problem. Die ortsansässigen, antirassistischen Ultragruppen haben sich im Laufe der letzten zwei Jahre aufgelöst oder aus den Stadien komplett zurückgezogen. Auslöser waren gewalttätige Auseinandersetzungen innerhalb der Fanszene, initiiert zumeist von rechtsextremen Fangruppierungen.

Beim Zweitrundenspiel ihrer Alemannia im Mittelrheinpokal gegen Viktoria Köln Anfang Januar sangen die Aachen Ultras (ACU) ihrer Mannschaft das letzte Ständlein. Es war das unschöne Ende einer zweijährigen Auseinandersetzung zwischen antirassistischen Ultras und rechten Hooligans innerhalb der Aachener Fankurve. Drei Tage später verkündeten die Ultras aus Düsseldorf ihren vorläufigen Rückzug aus dem Stadion. In ihrer Erklärung beteuert die linke Gruppe, ihre »Auszeit« habe »interne und strukturellen Gründe«. Trotzdem ist der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, daß der Druck von rechten Hooligans auch sie zur Aufgabe zwang.

Ihren Anfang nahm diese Entwicklung im Januar 2011 mit der Auflösung der Unique Rebels (UR) aus Rostock. Ein halbes jahr lang hatten die Antirassisten versucht, sich als Teil der Fankurve von Hansa Rostock zu etablieren. Schließlich wurde den UR-Mitgliedern das Betreten der Südkurve verboten. Auch in Dresden endete der Versuch, eine explizit antirassistische Ultragruppe zu gründen, mit einem internen Blockverbot. Nach dem Zweitligaheimspiel gegen Union Berlin im August 2011 griffen organisierte, rechte Dynamofans die Solo Ultras (SU) mit Flaschen und Steinen an. Seitdem gehen die Solo Ultras ihren eigenen Weg und besuchen nur noch die Fußballspiele der Juniorenmannschaften von Dynamo Dresden.

Oder Braunschweig. Nach fast vier Jahren bei Handball, Jugend-Fußball und Wasserball kehrten Anfang Oktober 2012 die antifaschistischen Ultras aus Braunschweig auf die Ränge des Eintracht-Stadions zurück. Keine vier Wochen später mußten sie sich wieder zurückziehen. Wiederholte Angriffe durch rechte Hooligans in und außerhalb der Stadien zwangen sie dazu. Die Vereinsführung von Eintracht Braunschweig hat das nicht interessiert.

Nicht nur in Braunschweig drücken die Vereinsverantwortlichen bei rechten Straftaten gerne einmal ein Auge zu. Der Fanbeauftragte von Alemannia, Lutz van Hasselt, sieht die Lage in der eigenen Fanszene ebenfalls nicht so dramatisch: »Alemannia Aachen hat sich sowohl in der Vergangenheit als auch aktuell immer wieder klar gegen Rechtsextremismus und Rassismus positioniert, außerdem wurden Vorfälle mit rechtsextremem Hintergrund konsequent unter anderem mit Stadionverboten bestraft.« Die Realität sieht anders aus.

Seit 1999 begleiten die Aachen Ultras ihre Mannschaft durch die unterschiedlichsten Ligen. Der Konflikt mit den organisierten Neonazis und den mit ihnen sympathisierenden Personen aus den Gruppierungen Karlsbande Ultras, Alemannia Supporters und Westwall Aachen schwelt nun beinahe drei Jahre. Auf Druck der Öffentlichkeit zogen die Verantwortlichen einige halbherzige Konsequenzen. Doch selbst diese angekündigten Sanktionen gegen die rechten Schläger erwiesen sich als abgedroschene Worthülsen. Das Zaunfahnenverbot wurde für die Karlsbande Ultras zu keiner Zeit konsequent durchgesetzt. Schon zwei Monate nach Aussprache des Verbotes hing die Fahne wieder am Zaun. Statt dessen wurden die Aachen Ultras als »Nestbeschmutzer« hingestellt und als »Linksextremisten« denunziert.

Das Zusammenwirken von untätigen Vereinsführungen und wachsender Repression gegen die Ultragruppen, u.a. wegen dem Abrennen von Pyrotechnik, läßt in den Stadien eine Subkultur wieder aufleben, die man schon längst für tot erklärt hatte: die Hooligans. Im Gegensatz zu den Ultras wollen die Hooligans nicht mittels akustischem und optischem Support die eigenen Spieler anfeuern und müssen sich deshalb auch nicht konstruktiv mit der Vereinsführung auseinandersetzen. Hooligans sind Gewalt und Repression nicht fremd, sie machen einen gewichtigen Teil ihrer rebellischen Identität aus. Die Bühne, die sie für ihre Kämpfe suchen, ist nicht öffentlich, statt dessen verabreden sie sich für ihre Kämpfe an abgeschiedenen Orten.

Zwar läßt sich eine pauschale Einteilung in linke Ultras und rechte Hooligans nicht immer aufrechterhaltebn, aber in der Tendenz ist sie richtig. Das zeigt auch, bei aller Rivalität, die Solidarität der Ultras untereinander. Bei ihrem letzten Ausflug begleiteten rund 300 Mitglieder anderer Ultragruppen aus ganz Deutschland die Aachen Ultras, um ihre Unterstützung für deren antirassistisches Engagement zu demonstrieren. Auf ihren Transparenten waren Sprüche wie »Lieber Parasit als Antisemit« oder »Nazis Am Tivoli? Nie gesehen.« zu lesen. Nur solche gemeinsamen Aktionen der Ultras, verbunden mit der Unterstützung durch die Vereine und den DFB können den erneuten Aufmarsch der Hooligans in den Kurven verhindern.