Montag, 14. Januar 2013

Bier, Schnaps und Kotze

Fußballprofi Uli Borowka beichtet sein Leben

Ralf Fischer / Junge Welt


Es ging durch die gesamte Boulevardpresse: Ehemaliger Fußballnationalspieler verprügelte im Suff seine Ehefrau. Kurz darauf jagte er seinen gerade neu gekauften Porsche gegen einen Baum und randalierte in der Wohnung seiner Exfrau. Mitte der 90er Jahre schaffte Uli Borowka einen kaum für möglich gehaltenen Imagewandel. Vom härtesten Verteidiger der Bundesliga wurde er innerhalb von zwei Jahren zum größten Schwein Deutschlands.

Dank seiner Alkoholeskapaden flog Borowka aus beinahe jedem Team. Bei Werder Bremen räumte ihn Manager Willi Lemke beinahe so skrupellos ab wie Borowka in seinen besten Zeiten die gegnerischen Stürmer. 1997 wechselte Borowka nach Polen, wo er unter dem späteren polnischen Nationaltrainer Franciszek Smuda zwar die Meisterschaft gewann, aber dessen Geduld mit dem eingefleischten Trinker auch nicht unendlich war. Zwischenzeitliche Versuche, bei Tasmania Berlin, Hannover 96 und beim Bremer Vorortklub Oberneuland wieder Fuß zu fassen, scheiterten ebenso an Borowkas zu hohem Promillegehalt. Kein Job, keine Frau und keinen Kontakt zu den Kindern, Borowka stand vor einem Scherbenhaufen.

Die Tragödie nahm ihren Lauf. Ein Versuch, sich mittels Tabletten und Alkohol das Leben zu nehmen, scheiterte. Borowka lebte in einer kleinen, schlecht beleuchteten Bruchbude, schlief zwischen dem eigenen Erbrochenem sowie den letzten Alkoholvorräten auf einer Matratze. Wenn er mal den Weg nach draußen fand, dann nur, um Nachschub zu besorgen oder in einer Kneipe zu verweilen, wo er noch anschreiben konnte. Bei seinen ehemaligen Mitspielern tauchte er nur noch auf, um sich Geld zu leihen. Doch das rettete ihm womöglich das Leben.

Eines Tages, als Borowka mal wieder knapp bei Kasse war, tauchte er beim damaligen Sportdirektor von Borussia Möchengladbach, Christian Hochstätter, auf. Der geniale Freistoßschütze merkte recht schnell, daß sein ehemaliger Mitspieler statt Geld etwas anderes viel dringender benötigte: eine Therapie. So kam Borowka Anfang 2000 in eine Entzugsklinik und lernte dort mit seinen Dämonen umzugehen.

Die Autobiographie »Volle Pulle. Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker« zeichnet ungeschliffen den Aufstieg sowie tiefen Fall des Abwehrkünstlers. Das Buch ist eine rühmliche Ausnahme in der Sparte: Fußballprofi läßt nach seiner Karriere ein launiges Buch schreiben, um dafür eine Menge Tantiemen einzustreichen. Natürlich erfährt man auch von der einen oder anderen schlüpfrigen Fußballer­anekdote, aber der Fokus liegt auf dem Versuch zu verstehen, wie es möglich war, daß ein deutscher Nationalspieler gleichzeitig schwerster Alkoholiker sein konnte. Und niemand es gewußt haben wollte.

Als Jugendlicher lebte Borowka von seinem unbedingten Willen, der Kraft sowie seiner Ausdauer, aber nicht dem überragendem Talent. Als er am Abgrund stand, retteten genau diese Eigenschaften ihm das Leben. Und seine Freunde. Seit über zehn Jahren ist Uli Borowka nun trockener Alkoholiker. Gerne möchte er sein Wissen als Berater an die heutigen Profis weitergeben, doch der DFB unterstützt ihn nicht. Die Dopplzünglichkeit der DFB-Granden ist dabei kaum zu überbieten. Während überall mit dem Slogan »Keine Macht den Drogen« geworben wird, darf der Premiumsponsor mit »Bitte ein Bit« dagegen halten. Solange solche zynischen Zustände im deutsche Fußball herrschen, ist wohl ausgeschlossen, daß es bald ein offizielles Beratungsangebot für alkoholabhängige Profisportler geben wird.

Uli Borowka/Alex Raack: Volle Pulle - Mein Leben als Fußballprofi und Alkoholiker. Edel Germany, Hamburg 2012, 302 Seiten, 19,95 Euro