Samstag, 10. Dezember 2011

Kalkulierter Tabubruch

Kein Raum für Kollegah

Ralf Fischer / Junge Welt

Kollegah ist mit dem »Zuhälterrap« seines Albums »Bossaura« unterwegs, das vor einigen Wochen kurz in den deutschen Charts war. Am Mittwoch will der selbsternannte »Boß der Bosse« in Bremen auftreten, zwei Tage später in Bielefeld. Weil seine Sprechgesänge homophob und sexistisch sind, gibt es Proteste. In Bremen fordern DGB-Jugend, Landesgleichstellungsstelle und ein Mädchenkulturhaus die Betreiber des Klubs Modernes zur Absage der »zutiefst menschenverachtenden« Veranstaltung auf. In Bielefeld wird das JZ Kamp zur Absage gedrängt, und zwar von der Autonomen Antifa und den Asten (Allgemeine Studierendenausschüsse) der Uni und FH.

Vorgeworfen werden Kollegah, der bürgerlich Felix An­toine Blume heißt, Zeilen wie: »Ey, du Schwuchtel, wachst nachts auf mit steifem Schwanz, nach einem Traum von einem Mann. Es ist der homophobe King im Biz, der Modedrogen an Gesindel tickt.«

Beide Veranstalter lehnen Absagen kategorisch ab. Cayan Cankatli vom JZ Kamp sagte der Neuen Westfälischen Zeitung: »Kollegah polarisiert, überschreitet Grenzen, bricht Tabus durch Provokation. Aber das ist die Lebenswirklichkeit der Jugendlichen, die hierher kommen.« Außerdem texteten viele, gerade auch alternative Bands, ebenso gewaltverherrlichend und sexistisch. »Aber die sagen es nicht so direkt oder auf englisch.«

Die Bielefelder Antifaschisten antworteten mit einem Hinweis auf eine kürzlich veröffentlichte Selbstverpflichtung des JZ Kamp, keinerlei Ausgrenzung zu praktizieren, »außer homophoben, sexistischen, rassistischen und gewaltverherrlichenden Tendenzen gegenüber« – daran solle sich die Einrichtung messen lassen.

Im Zuge der Debatte wurde das Kulturprogramm in Bielefelder Jugendeinrichtungen streng geprüft. Die Beamten stießen auf einen Auftritt der Rapformation Trailerpark am 9. Dezember im Jugendclub Falendom – und untersagten ihn. Den Jugendwächtern sei aufgefallen, daß in den »Videos Dildos und Drogen gezeigt werden«, so Basti von Trailerpark. Kollege Timi Hendrix sieht keinerlei rechtliche Grundlage für das Konzertverbot der Gruppe, da deren »Werke ganz eindeutig satirisch einzuordnen sind und einen humoristischen Kontext aufweisen«. Bisher läge auch noch keine Indizierung oder anderweitige Einschränkung durch die FSK vor. Dies scheint die zuständigen Behörden nicht weiter zu interessieren.

Der Soziologe Martin Seeliger hat derweil in der taz zu einem gelasseneren Umgang mit Deutschrap aufgerufen. Vieles sei kalkulierter Tabubruch. »Jugendliche sind medienkompetenter, als man denkt. Die glauben nicht, daß Kollegah auch vergewaltigt, nur weil er davon rappt.«

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