Montag, 28. November 2011

Der Fluch des Ostens

Wie zufällig ist der Pokal-Ausschluß von Dynamo Dresden?

Ralf Fischer / Junge Welt

»Wenn vor einigen hundert Jahren Dschingis Khan hier durchgezogen wäre, hätte es nicht anders ausgesehen«, das waren die Worte, die BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke wählte, als er der Presse seine Eindrücke vom DFB-Pokalspiel gegen Dynamo Dresden schilderte. Zwei verletzte Polizisten, 15 Festnahmen, drei oder vier kaputte Werbebanden und ein Feuerwerk waren der Auslöser für diesen historischen Vergleich. Naturgemäß beschäftigte das Spiel im Nachgang neben dem Boulevard auch die Gremien des DFB. Am vergangenen Donnerstag beschloß nun das DFB-Sportgericht, den Zweitligisten aus Dresden für die kommende Saison aus dem Pokalwettbewerb auszuschließen. Der Fluch des Ostens.

Die im Jargon biederer Kleinbürger als »schwere Randale« bezeichneten Ereignisse waren an diesem Pokalspieltag überall in Deutschland zu erleben. Dynamo hatte dabei nur das Pech, daß genau jenes Spiel zur besten Sendezeit im Rentnersender ZDF übertragen wurde. Pyrotechnik wurde an diesem Tag in fast jedem Pokalspiel gezündet, doch es wird traditionell mit zweierlei Maß gemessen. Bei der Partie Eintracht Frankfurt gegen den 1. FC Kaiserslautern kam es vor, während und nach dem Spiel zu Auseinandersetzungen zwischen den Fans und der Polizei, wobei mindestens acht Polizisten zum Teil schwere Verletzungen erlitten und gegen 26 Personen Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden. Doch bestraft wurde nur Dynamo Dresden.

Das hier ganz offensichtlich ein Exempel statuiert werden sollte, gab sogar Bayernboß Uli Hoeneß im »Aktuellen Sportstudio« freimütig zu: »Es ist unglaublich hart für die Fans von Dresden und für den Verein. Aber irgendwann mußt du mal ein Zeichen setzen«. Dieses ominöse »irgendwann« traf nun rein zufällig Dynamo, so die offizielle Lesart. Doch schon während der Spielübertragung konnte man erleben, was unabhängige Berichterstattung in diesem Land bedeutet. So war beim Spielbericht im ZDF in bezug auf das Pokalspiel des 1. FC Köln in Hoffenheim zum Beispiel von »Begleiterscheinungen des Karnevals« oder beim Spiel in Heidenheim von einer »Bereicherung der Ostalb durch Zündelfreunde« die Rede.

Ganz das Gegenteil dazu war der Kommentar von Wolf-Dieter Poschmann beim Spiel der Dynamos in Dortmund. Seine pauschale Einteilung der Fans in gute und böse, hier die bösen Dresdner, dort die guten Dortmunder, gipfelte in einer häßlichen Anmerkung gegenüber dem Dresdner Spieler David Solga, »oder wie man im Osten immer häufiger sagt: Dääwwid Solga«. Herr Solga ist übrigens gebürtiger Dortmunder.

Der Geschäftsführer des BVB setzte noch einen drauf: »Einige unserer Ultras, die oft kritischer gesehen werden, als sie sind, waren zuletzt auf Einladung des Vereins in Auschwitz. Dort haben alle vor Augen geführt bekommen, wo Gewaltexzesse hinführen«, sagte Watzke gegenüber der Sport Bild.

Dem Imperativ, auf daß sich Auschwitz nicht wiederhole, kann man nichts hinzufügen. Dem Wahnsinn eines Herrn Watzke oder dem Schubladendenken eines Herrn Poschmann ebenfalls nicht.

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