Freitag, 10. Juni 2011

Und David war ein Dresdner

Besonderer Schwung: Ein Rückblick auf die Saison der Dynamofans

Ralf Fischer / Junge Welt

Die Fans der SG Dynamo Dresden sind ein verdammt komisches Völkchen. Jede noch so kurze Niederlagenserie läßt sie völlig verzweifeln und die Vereinsführung verteufeln, zwei Siege hintereinander, und die Verrückten aus dem Elbflorenz träumen vom Europapokal. Das war auch in der vergangenen Saison nicht anders.

Daß man für seinen Verein lebt, ist bei Dynamo keine Floskel. Man starb mit dem Verein, als er aus der ersten in die dritte, dann sogar in die vierte Liga abstieg. Von Leben konnte Ende der 90er Jahre kaum noch die Rede sein.

Die Saison 2010/11 fing wie alle in den letzten Jahren an. Nach vier Punkten aus vier Spielen stand Dynamo in der dritten Liga auf Tabellenplatz elf. Auch die Stimmung war im Keller. Doch dann verstärkte Trainer Matthias Mauksch die »Gurkentruppe« mit zwei Himmelsstürmern, Christian Fiél und Alexander Esswein. Beide hatten Erstligaerfahrung. Beim Anhang keimten Aufstiegshoffnungen. Hätte, wäre, könnte – das sind seit beinahe zwei Jahrzehnten seine Lieblingswörter. Denn ein achtmaliger DDR-Meister gehört freilich in die höchste Spielklasse.

Diese Anspruchshaltung ließ den Verein oft genug auf die falschen Pferde setzen. Nach exzessiver Mißwirtschaft steht er notorisch vor der Insolvenz. Das ändert nichts an den Ansprüchen, im Gegenteil: Je schlechter es dem Verein geht, um so höher fliegen die Träume. Und, oh Wunder, in der Hinrunde wurden sie sportlich nicht enttäuscht. Dynamo spielte, wenn auch etwas abgeschlagen, noch um den Aufstieg mit. Die Stimmung war entsprechend gut, nur bei Maik Wagefeld und seinen zahlreichen Anhängern nicht. Nachdem der Mittefeldmotor und ehemalige Kapitän sich unverhofft in der zweiten Mannschaft wiederfand, kam das Gerücht auf, er hätte mit der Frau des Trainers ein Verhältnis.

Als Mauksch dann noch den dritten Himmelsstürmer, Dani Schahin, präsentierte, waren die meisten Fans im Geiste schon aufgestiegen. Es kam zunächst ganz anders. Schahin mußte mit einem Muskelbündelriß sechs Wochen pausieren und Mauksch nach einer Niederlagenserie seinen Hut nehmen, aus dem er Schahin gerade erst gezaubert hatte. Die Fans verstanden die Welt nicht mehr. Mauksch war zwar nicht besonders beliebt, aber er galt als harter Hund und hatte erstklassige Spieler an die Elbe geholt. Sein Nachfolger war keineswegs zu beneiden.

Die Geschäftsführung um Volker Oppitz stellte der verblüfften Öffentlichkeit den bis dahin kaum bekannten Ralf Loose als 25. Dynamo-Trainer seit der Wende vor und war fortan mit der Besänftigung von Fanprotesten beschäftigt. »Niete oder Volltreffer als neuer Trainer«, titelte Bild. Loose schaffte das Wunder von der Elbe. Er stellte den jungen Heißsporn Benjamin Kirsten zwischen die Pfosten, stärkte der Mannschaft psychologisch den Rücken, und am Ende landete man überraschend noch auf dem Relegationsplatz.

Was dann geschah, ist Geschichte. Großväter werden ihren Enkeln wohl noch in Jahrzehnten davon berichten, wie der blöde, arrogante Goliath endlich mal wieder vom grundsympathischen David besiegt wurde. Und diesmal war David sogar ein Dresdner. Der Freude hielt auch das Stadion des VfL Osnabrück nicht stand.

Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt – zwischen diesen Extremen wird der Dynamofan weiter pendeln. Mußte er Anfang des Jahres noch fürchten, schon bald von sächsischen Lokalrivalen überrundet zu werden, ist er nun in der ersten ostdeutschen Liga. Wen interessiert es da schon, daß in dieser Liga auch ein paar schnöde Westvereine mitspielen dürfen und sie offiziell als zweite Liga daherkommt …

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