Montag, 15. März 2010

Des Kaisers alte Kleider?

Ein Berliner Rapper erfreut sich großer Beliebtheit, bei extremen Rechten. Zu recht. Seinem Antisemitismus und seiner Homophobie lässt er öffentlich freien Lauf.

Ralf Fischer / Mut gegen rechte Gewalt

Franzose, Schwarz und Judenkritisch? Sachen gibt es, die gibt es gar nicht!!!“ erfreut sich ein überraschter Leser des einschlägig bekannten rechtsextremen Internetportals Altermedia. Kurz zuvor sekundiert ihm im häufig genutzten Kommentarbereich ein anderer Nutzer: „Manche Rapper haben doch mehr Hirn als so mancher glatzigen Rechtsrocker“. Den grammatikalischen Fehler korrigiert er gleich im nächsten Beitrag. Der logische Fehler, dass die antisemitischen Ausfälle des Berliner Rappers Kaisa, auf die sich sein Kommentar bezieht, mit geistigen Kapazitäten nun wahrlich nichts zu tun haben, fällt ihm natürlich nicht weiter auf.

Was ist los auf rap.de?

Doch was war passiert? Ein Berliner Rapper bot bisher eher selten den Anlass für soviel Freude innerhalb der rechten Szene. Was macht Kaisa, bürgerlich Jacques Linon, so attraktiv für die braunen Kameraden? Die Antwort ist genauso verblüffend wie einfach: Jacques Linon, der sich zuweilen als Führer in seinen Songs und Videos feiern lässt, hat in einem Interview mit Marcus Staiger von rap.de auf die Frage was er denn für Klartext hält, sich über Denkverbote in Deutschland, Eva Hermann und Schwulenghettos in Berlin ausgelassen. Als Hauptproblem will er den Umstand, „dass viel zu viel Aufwand betrieben wird, dass dieses Gedankengut im Kopf behalten wird, was Hitler damals schlimmes gemacht hat“ während gleichzeitig „viel zu wenig Aufwand betrieben, um den Fokus darauf zu richten, wer heute denn die KZs betreibt“ für sich erkannt haben.

Relativierung des Holocausts und Homophobie

Auch sein Wahn, ein richtiger heterosexueller Mann sein zu wollen, darf sich Bahnen brechen. Seine Behauptung, dass „Schwule … mittlerweile richtig gepusht“ werden und es sogar „schon richtige Schwulenghettos … in Schöneberg“ gibt, wechseln sich gegenseitig ab mit den üblichen Verschwörungstheorien zu den Anschlägen vom 11. September 2001, Angriffen auf das Existenzrecht Israels und der Verharmlosung des Holocaust.

So stolpert er denn auch, von einer Lüge zu nächsten: „… ich krieg auch jeden Tag in Dokus mit, dass das und das am elften September passiert ist und dann stellt sich raus, das ist ne Riesenlüge. Warum sollte ich denn jetzt glauben, dass das wirklich sechs Millionen Juden waren? Nur weil’s meine Lehrerin gesagt hat?“ Der Interviewer scheint sich ebenfalls etwas unsicher zu sein und fragt deshalb den Kaisa, was den der Unterschied sei, „selbst wenn es nur zwei Millionen Menschen gewesen wären“. Darauf antwortet der selbst ernannte „Durchblicker“ mit einem äußerst gewagten Gleichnis: „Wenn einer bei mir einbricht und 1.000 Euro klaut, geh ich los und sag "Ey, das waren 10.000 Euro“. Da spielt dann nicht die Rolle, dass mir Gerechtigkeit wieder fährt sondern, dass ich dann auch noch Profit daraus ziehe aus der Geschichte, die da passiert ist“. Am Ende geht es doch immer um den Mammon.

Auf die Frage ob Kaisa einer Lobby unterstellen würde, das Leid der 6 Millionen ermordeten Juden, als Vorwand zu nehmen, um Israel zu rechtfertigen, folgt mal wieder eine jener Antworten mit Ausrufezeichen. „Auf jeden Fall!“ Und damit ihn auch ja niemand missversteht, folgt eine Präzisierung: „Aber nicht nur dafür, sondern auch um das Plattmachen von Siedlungen und ihrer Bewohner zu rechtfertigen. Um alles zu rechtfertigen. Um alles zu rechtfertigen, was diese Kultur und diese Rasse so umgibt“.

Untiefen des Hip Hop

Normalerweise, wäre jetzt der richtige Augenblick für einen Journalisten zu gehen. Oder wahlweise die Polizei zu rufen. Marcus Staiger hält dies nicht für nötig. Stattdessen versucht er mit einer Art nachholendem Appeasment. Er erzählt von unrechtmäßig angeeignetem Land und stellt damit das Existenzrecht Israels von sich aus freiwillig zur Debatte. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf. Staiger offenbart, dass er bisher in Israel sehr unterschiedliche Rassen, wie Russen und Afrikaner antraf. Während Kaisa beinahe ungestört einen wilden Ritt durch die wildesten Verschwörungstheorien mit antisemitischen Stereotypen aus der NS-Zeit verbunden antreten kann. Es wird munter über Semiten, Hebräer und andere Stämme diskutiert. Kaisa darf noch einmal betonen, dass „die Juden … für mich eine Rasse“ sind. Und das sei ja alles auch gar nicht so schlimm. Am Beispiel von Vorzeigeleuten wie Michel Friedman beklagt er sich über die mangelnde Dankbarkeit für das Leben.

Und schlussendlich gibt er den auf Guantanamo stationierten amerikanische Soldaten, „die auch Juden sind“, den Tipp endlich einmal aufzustehen um bei sich im Volk etwas zu bewirken. Ein rechter Kommentator auf Altermedia fasste es kurz und prägnant zusammen: „Das nenne ich Revisionismus auf Hip Hop-Niveau. Ich muss meine Haltung zu Rappern wohl mal überdenken“.

Strafrechtliche Relevanz?

Es ist wahrlich kaum verwunderlich, dass solche Aussagen auf Applaus von rechts stoßen. Was dagegen wirklich Verwunderung hervorruft ist die Tatsache, dass solch ein Interview bisher keinerlei Reaktion von Seiten der Polizei oder der Justiz ausgelöst hat. Auf Altermedia wundern sich selbst die braunen Schergen: „Man stelle sich vor, ein Deutscher hätte das gesagt. § 130 hätte vermutlich sofort gegriffen.“ Zur Klarstellung, Jacques Linon ist deutscher Staatsbürger...