Donnerstag, 19. Juni 2008

Spiel mir das Lied vom Verbot

Berliner Justiz verurteilt hirntote Musik

Ralf Fischer / Junge Welt

Seit letzter Woche sind die drei Berliner Rapper Björn D., Tomasz M. und Raphael B. vorbestrafte Kriminelle, die sich in den nächsten Monaten nicht dabei erwischen lassen sollten, bei Rot über die Straße zu gehen. Sie würden direkt im Gefängnis landen. Weil sie Musik gemacht haben, die zwar zugegebenermaßen äußerst gewöhnungsbedürftig, aber nichtsdestotrotz kaum schlimmer als ein x-beliebiger Horrorfilm ist.

Die musikalische Ausrichtung der über das Independentlabel »Hirntot Records« vertriebenen Rapsongs wird allgemein als Horrorcore bzw. Psychokore bezeichnet. Diese düstere Variante des Deutschrap ist für Splatter- und Horrorphantasien weitläufig bekannt. In der in den letzten Jahren immer wieder aufgewärmten Debatte über Gewalt im deutschen Rap wurden Videos und Lieder der Berliner Splatterrapper häufig als Beweis für die Verrohung der deutschen Jugend durch die böse Rapmusik herangezogen. Nach diversen Verbalinjurien seitens einiger Ordnungspolitiker, allen voran die ehemalige Bildungsreferentin beim Verein christlicher junger Menschen und derzeitige SPD-Bundestagsabgeordnete Monika Griefahn, antwortete das Label »Hirntot Records« auf mehreren CDs mit Songs, die davon handelten, wie diese Politiker einschließlich der Polizei massakriert wurden.Ein wahrhaft ungleicher Kampf.

Es kam, wie es kommen mußte. Im Juli 2007 durchsuchte die Polizei bundesweit drei Wohnungen, um die Betreiber des Labels ausfindig zu machen. Dabei wurden mehrere Waffen und diverse Tonträger beschlagnahmt. Unter den Waffen befand sich eine Luger M-11 und eine AK-47 mit verschlossenem Lauf. Auch etwa 200 Gewehrpatronen konnten von den Beamten sichergestellt werden. Für die Staatsanwaltschaft ein gefundenes Fressen. Neben der Störung des öffentlichen Friedens durch das Androhen von Straftaten, Beleidigung, Gewaltdarstellung, Bedrohung, dem öffentlichen Auffordern zu Straftaten durfte sie auch noch den Punkt Volksverhetzung in die Anklageschrift aufnehmen. Womit die drei »Hirntot«-Rapper die ersten Nicht-Nazirocker waren, die mit einer Anklage wegen Volksverhetzung konfrontiert wurden.

Bizarrerweise versucht der Stuttgarter Rapper Bözeman ähnliches. Seit einem Jahr müht er sich, durch das Zurschaustellen von kriegstauglichen Waffen, der antisemitischen Beleidigung gegenüber einem bekannten Berliner Rapper und der Androhung von Straftaten via Gerichtsverhandlung ins Rampenlicht zu gelangen. Doch dieses Begehren wurde dem Kosovoalbaner bisher großzügig verwehrt, jedenfalls von seiten der Stuttgarter Staatsanwaltschaft bzw. der lokalen Polizei. Statt dessen findet sich der bekennende Fan der 21. Gebirgsdivision der Waffen-SS »Skanderbeg« in Spiegel-TV wieder, wo er als legitime Antwort auf Kommerzrap abgefeiert wird. Wird den »Hirntot«-Rappern von den Feuilletons vorgeworfen, mit ihren gewalttätigen Texten »interessant für die rechte Szene« zu sein, werden jene Rapper komplett unter den Teppich gekehrt, die dies tatsächlich sind.

Es kommt nur auf den Blickwinkel an. Objektiv ist der aktuelle Rambofilm blutrünstiger als jede Veröffentlichung von »Hirntot«. Aber Politiker sind schnell beleidigt.

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