Deutsche Rapper solidarisieren sich mit islamistischen Terrorrackets und verbreiten homophobe, frauenfeindliche und antisemitische Gewaltphantasien.
Von Juri Eber & Ralf Fischer / konkret
Es herrscht Ausnahmezustand vor dem Brandenburger Tor. Im Best-View-Bereich schreien sich Tausende Mädchen und Jungen die Seele aus dem Leib. Wenn sie nicht gerade lautstark nach ihrem Idol, dem Berliner Pöbelrapper Bushido, verlangen, beschimpfen sie die anderen Popacts wahlweise als »schwul« oder »krasse Scheiße«. »Bravo«, die »Bildzeitung« der Jugend, und der Klingeltonvermarktungssender Viva hatten zum Event »Schau nicht weg – Rocken gegen Gewalt in der Schule« eingeladen. Gekommen sind mehrere zehntausend zumeist minderjährige Teenager – allerdings eher nicht, um Bands wie LaFee zu lauschen oder mit dem Gewaltproblem konfrontiert zu werden. Das kennen sie aus ihrem Schulalltag zur Genüge.
Der Auftritt von Bushido war wegen
seiner Haßtiraden gegen Schwule und Frauen umstritten. Doch die
Veranstalter ließen sich davon nicht beeindrucken. Hätte der
Unterschichtrapper nicht seine Mord- und Totschlagmusik zum besten
gegeben, wären nicht annähernd so viele Zuschauer bereit gewesen,
Eintritt zu zahlen. Einige hundert Meter entfernt, an der Ecke Straße
des 17. Juni/Yitzhak-Rabin-Straße, stehen rund 50 Gegendemonstranten
auf verlorenem Posten. Es ist den wenigen Funktionären der
organisierten Berliner Schwulenszene zu verdanken, daß es überhaupt
zu einer solchen Aktion gekommen ist.
Mann gegen Moderne
Hinter dem Haß auf Schwule und alle
Frauen außer Mutti verbirgt sich nicht nur beim veritablen
Elternschreck Bushido der Wunsch, die traditionelle Rollenverteilung
zwischen Mann und Frau wiedereinzuführen. Die rappenden Jungmänner
bemängeln in ihren musikalischen Inszenierungen den Machtverlust,
der mit dem eigenen Wunschbild von Machotum nicht zu vereinbaren ist.
In ihren Texten wettern sie gegen alles, was die von ihnen definierte
Männlichkeit vermeintlich zerstört: Schwule, Metrosexuelle,
emanzipierte Frauen und die Zurichtung der Gesellschaft, in der nicht
mehr alle Führungspositionen automatisch Männern zufallen. So
identifizieren sie nicht nur die kapitalistische Moderne als ihren
Feind, sie entdecken auch in dem internationalen islamistischen
Bandenwesen einen Verbündeten. Trotzdem will die rappende
»Generation Djihad« natürlich kommerziellen Erfolg, statt sich
selbst in die Luft zu sprengen. Zu unzähligen willigen Groupies sind
die 72 Jungfrauen, die den Märtyrer irgendwann einmal im Paradies
erwarten sollen, keine wirklich attraktive Alternative.
»Gott schuf Adam und Eva / nicht Adam
und Peter / ich glaub’ fest daran«, rappen die Berliner G-Hot und
Kralle in ihrem Track »Keine Toleranz«. »Ihr laßt euch von
Schwulen regieren / was soll noch kommen / was soll in Zukunft
passieren?« Selbst penetriert zu werden ist für die beiden
Interpreten – wie für den Großteil der deutschen Rapper – das
Sinnbild des absoluten Machtverlustes: »Eine Schande für den Mann,
in den Po gefickt«, und so versichern G-Hot und Kralle dem geneigten
Publikum am Ende des Lieds, daß ihr Arsch »für immer eine
Einbahnstraße« bleibt.
In der hitzigen Feuilletondebatte um
den Song hat die Tatsache, daß 99 Prozent der deutschen Rapper
männlich sind, kaum eine Rolle gespielt. Auch nicht, daß »Keine
Toleranz« nur eine kleine Kostprobe ist aus dem reichen Repertoire
der neuen deutschen Sangeslust, wie sie nicht nur im Internet
verbreitet wird. Wenn es im deutschen Rap um Schwule geht, dann wird
allgemein das Bild eines verweichlichten, verweiblichten, abhängigen
Mannes gezeichnet. Der Berliner Sido, bei dem das eigene Label die
alte Straßengang abgelöst hat, formuliert seine Kampfansage deshalb
anal: »Aggro Berlin steht für: Ich ficke deinen Arsch extrem.« Und
der Werbeslogan eines der kleineren Raplabels aus der Hauptstadt
lautet: »Berlin bleibt hart«. Wie man das erreicht, beschreibt
Bushido in seinem Song »Berlin«: »Berlin wird wieder hart, denn
wir verkloppen jede Schwuchtel.« 2005 beugte sich Bushidos Label
Universal dem öffentlichen Druck: Aus der Songzeile »Ihr Tunten
werdet vergast« wurde »Ihr Tunten werdet verarscht«.
Den bekannteren Rolemodels des
Deutschraps wie Bushido ist zumindest nach außen hin der Versuch
gelungen, die eigene männliche Herrlichkeit durch eine omnipotente
Inszenierung als rappende Über-Pimps wiederherzustellen. Die
überproportionale mediale Aufmerksamkeit, die ihnen zukommt, und der
finanzielle Segen sind Äquivalent für die vermeintliche Schmach als
Mann in der Moderne. Die Wut des Underdogs mutiert zu einem nicht
unwesentlichen Element der Marketingstrategie. Doch vor allem jene,
die es nicht in den lukrativen Musikmainstream geschafft haben,
sprechsingen immer häufiger Klartext. Ins Visier des
antimodernistischen Amoklaufs gerät – neben den Schwulen – vor
allem die omnipotente kapitalistische Übermacht Amerika.
Generation Djihad
»Hölle auf Erden!! In Afrika
verhungern Kinder. Hölle auf Erden!! George Bush spielt Hitler!!
Hölle auf Erden!! Ein Krieg gegen den Islam. Hölle auf Erden!! Irak
brennt wie Vietnam!!« Was die Frankfurter Gruppierung Warheit in dem
Refrain ihrer Singleauskopplung rappt, könnte ebensogut als
Parolensalat auf einem aktuellen Flugblatt der Friedensbewegung
stehen. Die Gleichsetzung von George W. Bush mit Hitler wird von
diesen Kreisen zu gern benutzt, denn im projektiven
antifaschistischen Widerstand gegen die USA läßt sich fast jede
terroristische Schweinerei legitimieren. In den neunziger Jahren
identifizierte man sich in der deutschen Rapszene fast ausschließlich
mit sogenannten linken – vulgo antiamerikanischen –
Befreiungsbewegungen, unter die auch der gesamte »palästinensische
Widerstand« subsumiert wurde. Doch mit ein wenig Verzögerung ist im
Nachgang des 11. September 2001 in Deutschland eine Trendwende zu
beobachten. Auch wenn das Markenzeichen dasselbe geblieben ist, mit
der neuen Palästinensertuchwelle ist kein Revival der linken
Befreiungstheorie im Rap verbunden, sondern eine Solidarisierung mit
islamischen Terrorrackets oder mit der deutschen Nation. Im
schlimmsten Fall mit beidem.
Die neue deutschnationale Welle
schwimmt auf – zum Teil heute noch als links beziehungsweise
fortschrittlich mißverstandenen – Vorurteilen, deren
Haltbarkeitsdatum schon lange als abgelaufen galt. Wenn Prinz Pi
propagiert, Amerika führe Krieg für Öl, oder Bushido in »Stupid
White Man« versucht, an Michael Moore anzuknüpfen, so ist ihre
Konsequenz jedoch eine andere: Prinz Porno, wie er früher hieß,
fühlt sich als Teil einer »Generation Djihad«, und Bushido schreit
aus dem Tonstudio heraus der ganzen Welt ins Gesicht, er sei ein
Taliban, und wenn er wolle, seien wir »alle tot«. Um
Mißverständnisse zu vermeiden, rülpst Bushido auch noch Brocken
wie »Siehe Bin Laden ich hätt es ähnlich getan« oder »Ich mach
ein Anschlag auf dich wie in Tel Aviv« ins Mikrophon. Bei ihm und
anderen Rappern, die bei Majorlabeln unter Vertrag stehen, ist davon
auszugehen, daß solche Passagen vor der Veröffentlichung auf
Markttauglichkeit getestet wurden. Vor dem 11. September wäre er mit
dieser Message wohl kaum zu einem populären und gefeierten
MTV-Popstar geworden.
Von kommerziell weniger erfolgreichen
Rappern werden Größen wie Bushido, der im Dezember wieder auf
Deutschlandtournee geht, oder der Aufsteiger Massiv vehement
angegriffen. Wie in den alten Auseinandersetzungen dreht sich dabei
alles um die Frage der Authentizität. Das multiethnische Berliner
Rapquartett Zyklon Beatz holt dabei den populärsten Vorwurf aus der
Schublade hervor: »Ich seh MCs, die gern über den großen Teich
wollen / Ich seh MCs, die mit peinlichen Amibeats prollen / Ich kenn
MCs, die behaupten, sie wären Pimps / doch die Frage die ich mich
frage, ob das wirklich stimmt.« Zyklon Beatz inszenieren sich als
die wahren Rapper, die eben nicht auf Amibeats prollen, und
propagieren im gleichen Lied den Dreiklang »deutsche Frauen,
deutscher Rap, deutsches Bier«.
In diesem antimodernistischen Weltbild
hat Deutschland den Opferstatus, den es braucht, um aus Notwehr
endlich losschlagen zu können: »Mann, Deutschland erwache / uns
geht’s doch jetzt schon so kacke / siehst du nicht, was der Ami
vorhatte / als er dich aufbaute für seine eigene Sache?« Kurz und
bündig formuliert der Berliner Akte One im gleichen Lied deshalb die
neue deutsche Marschrichtung in dem aus Amerika adaptierten
Musikgenre: »Das ist Deutschrap / Deutsche Produktion, deutscher
Text / Deutsche Probleme in Szene gesetzt.«
Mit diesem musikalischen Stahlgewitter
im Gepäck sind Rapper zu Spitzenvertretern antikapitalistischer
Ressentiments deutschnationaler Provenienz geworden. Ist Deutschrap
der ideologische (Kassen-)Schlager der Zukunft? Wenn der in der
linken Szene beliebte Hamburger Rapper Holger Burner »Uzis verteilen
(will) von Hamburg bis München / Mit dem Aufruf die Chefs aller
Banken zu lynchen« und den Zionismus als den schlimmsten
Nationalismus bezeichnet, dann steht ihm sein Stuttgarter Kollege
Bözemann in nichts nach. Der behauptet etwa, der Berliner Konkurrent
Massiv sei »mit Sicherheit Jude« und ziehe den »Koran durch den
Dreck«. Seine Kommentare im Myspace-Gästebuch beendet er mit einem
zackigen »Sieg Heil«.
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