Samstag, 25. August 2007

Promo für Provo

Zur Hilflosigkeit der Deutschrap-Zensoren

Ralf Fischer / Junge Welt

Es muß irgendwann im Jahre 2001 gewesen sein, als die bis dato tonangebenden Provinzstädtchen Hamburg und Stuttgart ihre Marktführerschaft im Segment deutscher Sprechgesang an pöbelnde Straßenjungs aus dem Berliner und Frankfurter Betondschungel verloren. Die urbane Jugend hatte angesichts drastisch vernagelter Perspektiven die Schnauze voll vom gymnasialen Gute-Laune-Rap, der in gepflegter Langeweile zu ersticken drohte. Obwohl die Anzahl der Konsumenten zunahm, brachen die Verkaufszahlen der Kuschelrapper ein. Die Helden der Frustrierten kletterten an die Spitzen der Charts. Deren Vorbilder kamen aus den USA: Aggro sein und hören, das war die Maxime der Stunde.

Von der Erwachsenenwelt gut abgeschirmt, begann eine Trendwende im Deutschrap, deren Auswirkungen Berufspolitiker heute zur Selbsttherapie ihres Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms nutzen, vor allem die von der Umwelt- zur Jugendschützerin mutierte Monika Griefahn (SPD) und die notorische Betroffenheitsmimin Claudia Roth (Bü90/Die Grünen) stopfen mit Verbotsforderungen die Sommerlöcher. Gemeinsam mit den hochbetagten Mitgliedern der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BJPM) versuchen sie verzweifelt, der Lage Herr zu werden.

Dieses Ansinnen ist in Zeiten, in denen Internet und Handys Massenware sind, zum Scheitern verurteilt. Die Verbreitung der indizierten Musik ist kaum zu verhindern. Zunehmend gleitet den Empörten die Kontrolle aus den Händen. Sie wollen die Jugend bewahren vor den Verheerungen der urbanen Unterschichtenkultur (harte Drogen, sinnlose Gewalt und Sex der Sorte XXL-Hardcore). Was sie erreichen, ist das Gegenteil. Wenn ein Song oder gar eine komplette CD indiziert wird, nehmen die jugendlichen Konsumenten dies als ein über jeden Zweifel erhabenes Gütesiegel wahr. Manches ihrer Idole laviert vielleicht ein wenig in der Öffentlichkeit herum, verzichtet sogar auf die Veröffentlichung des einen oder anderen Liedes, aber der Status »authentischer Rapper« ist gesichert. Die Kasse stimmt. Und selbst der inkriminierte Song wird in Internettauschbörsen unter den Kids hoch gehandelt. Dagegen sind die selbsternannten Bewahrer der guten Sitten, z. B. jugendschutz.net, völlig machtlos.

So wie das »Unterschichtenfernsehen« vom ständigen Tabubruch lebt, ist es eben auch mit dem neuen deutschen (Kassen)Schlager, dem Unterschichtenrap. Je vehementer Bushido, Fler und Konsorten den Tabubruch zelebrieren, umso eher ist von kommerziellem Kalkül der Plattenlabels auszugehen. Ob so in drei, vier Jahren noch groß Kasse gemacht werden kann, ist stark zu bezweifeln. Wenn es den Jungs und Mädels aus dem Mittelstand zu langweilig wird, die immer gleichen Verbalinjurien aus den Niederungen der Gesellschaft anzuhören, werden sie zur nächsten Variante der Verblödung wechseln. Auch »Big Brother« ist nach der dritten Staffel im Quotenloch gelandet. Dem Schmuddelrap wird es genauso ergehen.

Der Unterschicht, die zum Soundtrack ihres eigenen Elends bounct, wird mangels Zahlungsfähigkeit keine große Bedeutung mehr zugemessen werden. Für die derzeitigen Berliner und Frankfurter Goldjungen wird dann nicht mehr viel zu holen sein. Griefahn, Roth und Co. sollten sich also lieber entspannt zurücklehnen. Auch ihre Eltern sahen in den 60er und 70er Jahren das Abendland untergehen, weil zum Beispiel die Rolling Stones populär wurden. Wer heute ein Konzert von denen besucht, wird feststellen, daß die damals so berüchtigte Kulturtechnik Sex, Drugs and Rock’n’Roll in der Gesellschaft keineswegs so tiefe Spuren hinterlassen hat wie auf den Gesichtern einiger ihrer Hauptakteure.

Donnerstag, 9. August 2007

Generation Jihad

Hassgesänge: In der deutschsprachigen Rap-Szene wird immer öfter gegen Juden gehetzt

Von Ralf Fischer / Jüdische Allgemeine


Araber aus Untergrund/ Nationalstolz ist gesund/ Judenhass mit Hintergrund“ tönt es aus dem Lautsprecher. Auf dem Computerbildschirm ist das Bild einer in Brand gesetzten israelischen Fahne zu sehen. Der unbekannte Interpret rappt im Refrain weiter: „Alle Nazis sagt nicht nein/ töte jedes Judenschwein/ Die Yahudis sind gemein/ Alle sollen sie hier krepieren/ Araber werden hier regiern.“ Sein Kompagnon, ein sich selbst als „stolzer Deutscher“ bezeichnender Rapper, besiegelt am Ende des Songs namens „Juden Diss“ den „arabisch-deutschen Bund“ mit einer Androhung à la Ahmadinedschad: „Israel, die Bombe macht, tick, tick, tick, boom …

Solche an Deutlichkeit kaum zu überbietenden antisemitischen Töne sind im deutschsprachigen Rap schon lange keine Seltenheit mehr. Offen propagierter Judenhass ist in der Szene auf dem Vormarsch. Zwar werden diese selbst produzierten Videos nicht bei den großen Musiksendern MTV oder VIVA gesendet, aber dank Internetplattformen wie YouTube und Myspace wächst ihr Einfluss in der Jugendsubkultur beständig. „Türke, Moslem/ hasse die Ostdeutsche/ dass sind Hurensöhne/ wie die Scheiß Juden“ rappt ein Anhänger der türkischen Grauen Wölfe auf YouTube. „Palästina unsere Brüder/, gegen Scheiß-Juden“ geht es in dem Text von Karub aus Berlin-Moabit weiter. In der Selbstbeschreibung seines Videos heißt es: „diss gegen pkk aggro berlin christen juden israel griechen. Palästina und die anderen moslems wir halten immer zusammen.

Dissen, sprich, Gegner und Konkurrenten musikalisch und verbal mit Schmähreden zu überziehen, ist ein integraler Bestandteil der Rapkultur, seit diese in den frühen 80er-Jahren in den USA entstand. Es geht darum, den eigenen Status innerhalb der Szene als harter und authentischer Battle- und Streetrapper aufzuwerten. Die Zielobjekte sind meist ehemalige Weggefährten, die zu Konkurrenten wurden, oder kommerziell erfolgreiche Vertreter der Subkultur.

Nicht selten wird gerade in diesen Songs auf antisemitische Codes und Karikaturen zurückgegriffen. So wird der deutsch-moslemische Rapper Massiv, der vor wenigen Monaten einen lukrativen Plattenvertrag bei SonyBMG unterschrieb, von einem Rapper namens Bözemann in einem Diss-Video im Netz symbolisch begraben. Auf dem Grabkreuz ist neben dem Namen von Massiv ein Davidstern zu sehen. In der Beschreibung des Videos heißt es dazu: „Massiv wird auseinandergefickt vollgewixt im wald verscharrt und als Jude abgestempelt.“ Das im Mai veröffentlichte Video wurde bisher über 50.000 mal im Internet abgerufen. In den Kommentarspalten beschimpfen sich die Fans gegenseitig als „Hurensöhne“ und „Juden“.

Ihre Vorbilder finden die jugendlichen Hassrapper nicht zuletzt bei Größen der Szene wie Bushido, dem wohl bekanntesten Deutschrapper. Der schaffte im Jahr 2002 mit seinem Album Carlo, Cox, Nutten den Durchbruch zu einem Majorlabel. Taliban heißt ein Song auf der CD. Dort outet sich der erfolgreiche Deutschrapper als Fan antiisraelischer Selbstmordattentäter: „Ich mach ein Anschlag auf dich wie in Tel Aviv … Wenn ich will, dann seid ihr alle tot, ich bin ein Taliban.

Mit seiner Begeisterung für islamistische Terrorgruppen steht Bushido nicht allein. Der von VW geförderte Nachwuchsrapper Prinz Pi sieht sich als Teil einer „Generation Jihad“ und der Frankfurter Rapper Azad kündigt auf seinem Album Betonklassik den kommenden „Rap-Holocaust“ an.