Mittwoch, 24. Januar 2007

Biowaffe gegen Rechts

Interview mit Dennis Milholland. Der blinde jüdische Autor setzte sich beim Angriff eines Rassisten in der brandenburgischen Hauptstadt zur Wehr, die Staatsanwaltschaft Potsdam macht ihm wegen Körperverletzung den Prozeß...

Ralf Fischer / hagalil.com

RF.: Am Abend des 27.Mai 2005 sind Sie und ihre beiden Begleiter, die sich nach dem Besuch einer Kulturveranstaltung auf der Rückfahrt nach Berlin befanden, in der Potsdamer Straßenbahn von drei jungen Männern zunächst beleidigt und beschimpft worden. Weshalb gerieten Sie aneinander?

DM.: Auf dem Nachhauseweg kehrten wir in eine Dönerbude ein um uns etwas zu essen zu besorgen und von da aus sind wir gemeinsam zur Straßenbahn gegangen. In der Straßenbahn wurden wir dann von den drei besagten Männern angegangen, weil wir in ihren Augen „Türkenscheiße“ gegessen haben. Ich murmelte etwas von Neonazis, woraufhin als Antwort prompt ein „Sieg Heil“ zurückkam.

Waren sie allein in der Straßenbahn?

Nein, die Straßenbahn war propenvoll. Die braven Potsdamer Bürger saßen erstarrt da und wollten nichts hören und sehen. Als wir dann am Hauptbahnhof ausstiegen, rempelten einer der Männer, Oliver K., meinen Begleiter mit der Brust an und beschimpfte ihn als „hässlich“. Wir gingen dann in den Bahnhof hinein, während uns die Rechten folgten. Und dann ging dort die Grölerei erst richtig los. Ich habe dann auf englisch zurück gerufen „Fuck off“, mit der Hoffnung das die Passanten denken, hier werden Touristen überfallen und die Polizei holen. Aber nichts dergleichen geschah.

Was haben Sie dann in dieser Situation gemacht?

Wir sind dann in die andere Richtung, weg von denen, zur S-Bahn in Richtung Berlin gegangen. Und urplötzlich – ich habe ihn gar nicht kommen sehen - kam dann Oliver K. zielstrebig auf uns zu und schlug völlig unvermittelt einem meiner Begleiter ins Gesicht. Daraufhin habe ich mich eingemischt, und wir haben ein paar Schläge ausgetauscht. Im Zuge dieses Schlagabtausches bekam ich von links einen heftigen Hieb, den ich nicht kommen sah, weil ich auf dem linken Auge 100% blind bin. Kurz nach dieser Situation versuchte Oliver K. mit seinem Daumen meinen Kehlkopf zuzudrücken. In Notwehr habe ich ihn dann gebissen.

K. hat mich dann gefragt ob ich blind sei. Worauf ich mit „ja“ antwortete und noch obendrauf erwähnte, dass ich AIDS habe. Daraufhin hat er das Weite gesucht. Einige Minute später war der Bundesgrenzschutz da.

Und nahm Sie und ihre Begleiter mit Latexhandschuhen bewaffnet in Empfang…

Ja, während der Oliver K. von zwei Notärzten umsorgt wurde, bekam ich und meine Begleiter keinerlei medizinische Hilfe. Wir wurden als Täter behandelt, und nicht als die Angegriffenen. Ich musste noch über eine Stunde auf der Polizeiwache verharren, bis die Ärzte aus dem Krankenhaus anriefen und den Polizisten Bescheid gaben, dass ich nicht mehr gebraucht werde. Mit meinen Begleitern fuhr ich dann nach Berlin. Erst am nächsten Morgen kam ich in ärztliche Behandlung.


Eine Anzeige wegen versuchtem Todschlag die ich auf der Wache aufnehmen lies, verschwand, wie ich später erfuhr, auf dem Weg zur Staatsanwaltschaft Potsdam.

Anderthalb Jahre später, am kommenden Donnerstag (25. Januar 2007), wird nun ihr Fall vor dem Potsdamer Amtsgericht verhandelt. Obwohl der Angreifer Oliver K. zwischenzeitlich wegen Körperverletzung und Beleidigung verurteilt wurde, hält die Potsdamer Staatsanwaltschaft am Prozess wegen gefährlicher Körperverletzung gegen Sie fest. Können Sie sich das irgendwie erklären?

Nein. Das Gericht sagt mit dieser Klage aus, es ist in Ordnung alte, kranke Menschen zu überfallen, es wird Euch nichts passieren. Die Grenzschützer haben sich benommen, als hätte ich den Ebula-Virus. Offensichtlich sehen die deutsche Justiz und die Strafverfolgungsbehörden einen Virus als Waffe an. Demnach bin ich eine wandelnde Biowaffe.

Der Prozess findet am Donnerstag, den 25. Januar 2007 um 13.30 Uhr im Amtsgericht Potsdam, Hegelallee 8, Saal 310, statt.