Mittwoch, 29. November 2006

Brücken bauen mit elf Rabbis

Geistliche aus New York begegnen Oberschülern auf der "Bridge of Understanding".

 

Ralf Fischer / Neues Deutschland


Rabbi Jeffrey R. Astrachan wusste überhaupt nicht, was genau auf ihn zukommen würde, als er sich am Freitag in das Flugzeug nach Berlin setzte. Der junge Reform-Rabbi, der 1997 seine Ordination bekam und seit sechs Jahren am Tempel Beth Elohim in New York predigt, war sehr gespannt auf die unbekannte Stadt und vor allem auf die Begegnungen mit den jungen Berlinern. Sie sollte er im Rahmen des Projektes Bridge of Understanding kennen lernen.

Insgesamt machten sich 11 Rabbiner aus New York auf die Reise nach Berlin, darunter auch zwei Frauen. Rabbi Heidi Hoover gehört wie Astrachan der nicht-orthodoxen Glaubensgemeinschaft im Judentum an. Ihre Mutter emigrierte als Kind aus Deutschland in die USA, weshalb Hoover Deutschland regelmäßig besucht hat. Doch als ordinierte Rabbinerin war sie noch nie zu Besuch. Ihr ist es deshalb eine besondere Freude, an dem Austauschprogramm teilzunehmen.

Nicht alle Rabbis gehören der gleichen Glaubensrichtung an. Neben den reformierten, sind auch orthodoxe, konservative und liberale Rabbis in der Reisegruppe. Am Montagabend trafen sie das erste Mal im koscheren Restaurant Gabriel auf ihre jungen Austauschpartner von der Albrecht-Dürer Oberschule aus Neukölln sowie der Bertha von Suttner Oberschule aus Reinickendorf. Das Treffen stand unter dem Motto »Heimat und Exil«. Die Veranstalter von Brigde of Understanding hatten die Rabbis gebeten einen Gegenstand mitzubringen der ihnen so am Herzen liegt, dass sie ihn im Falle einer überstürzten Flucht auf jeden Fall mitnehmen würden. Auch die Schüler sollten solch einen Gegenstand mitbringen. Die Idee ist ganz einfach. Eine Annäherung wird dadurch erleichtert, dass dieser konkrete Gegenstand und die damit verbundenen Erinnerungen dem Gegenüber erst einmal aus persönlicher Sicht erklärt werden. Dies ermöglicht eine Annäherung, ohne gleich die politischen Unterschiede in den Vordergrund zu rücken.

Rabbi Jeffrey R. Astrachan brachte einen auf mehrere A4-Blättern gedruckten Stammbaum seiner Familie mit und erläuterte lächelnd, dass ihm seine Verwandtschaft das Wichtigste im Leben sei. Heidi Hoover hatte einen sehr alten Kiddushbecher aus Familienbesitz mitgebracht und Rabbi Eleanor Perlman stellte die Shabbatkerzen den Berliner Schülern vor. Für die 17- und 18-Jährigen waren dies Objekte aus einer anderen Welt, die ihnen kurz vorgestellt wurden. Doch daraus entwickelten sich lange Gespräche.

Am heutigen Mittwoch folgt der Gegenbesuch. Aufgeteilt auf vier Schulen, zwei in Berlin und zwei in Oranienburg, werden die New Yorker Rabbis vor Ort den Dialog fortsetzen. In Neukölln wollen die Schüler mit ihren amerikanischen Besuchern Moscheen, Kirchen und Synagogen besuchen. In Reinickendorf soll nach einer größeren Diskussionsrunde in der Mediathek in kleinen Gruppen über die von den Schülern mitgebrachten Gegenstände gesprochen werden.

Dagmar Weiler, die Organisatorin von Bridge of Understanding, erhofft sich dadurch eine Vertiefung des Verständnisses für die Geschichte und das Leben auf beiden Seiten des Atlantiks. Dabei bringen die persönlichen Gegenstände die Menschen überhaupt erst ins Gespräch.