Dass nicht alle Bewohner dieses Landes gewillt sind, der Welt ein guter Freund zu sein, zeigen vermehrt die antisemitischen und rassistischen Vorkommnisse in und außerhalb der Stadien.
Ralf Fischer / Mut gegen rechte Gewalt
Der nigerianische Fußballspieler Adebowale Ogungbure ist eigentlich schon so einiges gewohnt. Wenn er, der Abwehrchef des FC Sachsen Leipzig, seinen Arbeitsplatz betritt verfolgen ihn die von den gegnerischen Fans angestimmten Urwald- und Affengeräusche auf Schritt und Tritt. Manchmal werden dem 24-Jährigen auch Bananen hinterher geworfen, aber so schlimm wie letzte Woche bei dem Viertligaspiel gegen den Halleschen FC war es für ihn nach eigener Aussage "noch nie".
Mit dem Schlusspfiff der Partie –
kurz vor Abpfiff gelang den Spielern des HFC noch der Ausgleich zum
2:2 - stürmten rund 200 Leipziger Ultras den Platz. Die zahlreich
versammelte Polizei reagiert zwar umgehend und drängte die Leipziger
recht schnell in ihren Block zurück. Doch das Chaos in der
Zwischenzeit nutzten die Hooligans vom HFC um ebenfalls über die
Absperrungen zu klettern und in Richtung Innenraum - und auf den
Sachsen-Spieler Adebowale Ogungbure zu zustürmen.
Zuerst prasselt eine
Schimpfwortkanonaden auf den Abwehrspieler ein, es fallen Worte wie
"Drecks-Nigger, Affe, Bimbo, Scheiß-Neger", doch damit
begnügten sich die HFC-Fans nicht. Ogungbure wird bespuckt und
körperlich attackiert. Als ihm zu guter Letzt, von der Haupttribüne
zum wiederholten Male Affenlaute entgegen dröhnen, reagiert der
Nigerianer mit einem Zeichen, welches eigentlich nur den
selbsternannten Kämpfer für die Reinheit der arischen Rasse
vorbehalten ist.
Ogungbure formt zwei Finger zum
Diktator-Bärtchen und reckt den rechten Arm zum Hitler-Gruß.
Daraufhin ticken die Hools richtig aus. Eine Faust trifft Ogungbure
am Hinterkopf. Dann wird er in ein Absperrgitter geschubst.
Das hat mit Fuß…
Ausreden für die rassistischen
Übergriffe oder antisemitischen Hetzgesänge in den Stadien gibt es
genügend. Vor allem von den jeweiligen Fangruppierungen und den
Verantwortlichen im betroffenen Verein. Doch egal wie man es dreht
oder wendet, man muss schon von Normalität sprechen, wenn es um
solche Phänomene geht. Und zwar von einer gesellschaftlichen
Normalität nicht nur in Deutschland.
Sport ist, auch wenn es gerne von
einigen Ministerien so dargestellt wird, kein Zeitvertreib der
automatisch die Fähigkeit zur Toleranz erhöht. Im Gegenteil, die
Toleranz für die aktuell verfeindete Mannschaft geht zumeist dem
Nullpunkt entgegen. Der Kampf um den Sieg, der bedingungslose
Wettbewerb zwischen zwei Mannschaften ist Haupttriebfeder im Fußball.
Nicht die Akzeptanz des Gegners, und erstrecht nicht antirassistische
Motive.
Das hat mit Ball…
Ein aktuelles Beispiel für den Versuch
ganzen Sportevents zu funktionalisieren legt derzeit die
rechtsextreme NPD vor. Während die Partei einerseits
Öffentlichkeitswirksam in der Presse lancieren lässt, dass sie aus
Solidarität mit dem Iran, und vor allem mit dem für seine
antisemitischen Ausfälle bekannten Präsidenten des Landes, während
der WM in verschiedenen Städten Demonstrationen durchführen möchte,
wirbt sie andererseits mit einem WM-Planer auf dem zu lesen ist:
"WEIß - Nicht nur eine Trikot-Farbe - Für eine echte
NATIONAL-Mannschaft".
Auf der Vorderseite des Planers ist das
Trikot des Bremer Nationalspieler Patrick Owomoyela zu sehen.
Owomoyela ist Sohn eines Nigerianers, und damit für die Neonazis
kein Deutscher. Erstrecht kein deutscher Nationalspieler. Mit dieser
Fußball-Provokation wandelt die NPD auf dem Pfad, die der
neonazistische 'Schutzbund Deutschland' aus Ostdeutschland vor
einigen Wochen angelegt hat. Zu dessen Führungsfiguren unter anderem
der ehemalige NPD-Vorsitzende in Berlin-Brandenburg, Mario Schulz
gehört. Die braune Propagandatruppe hatte unter
anderem ein Plakat mit einer Abbildung des deutschen
Fußballnationalspielers Gerald Asamoah in Umlauf gebracht,
Überschrift: "Nein Gerald, Du bist nicht Deutschland - Du bist
BRD!".
Das hat mit Fußball nichts zu tun!
Anklang findet diese Art der braunen
Propaganda hauptsächlich im Hooligan-Milieu. Gerade in dieser Szene
tummeln sich in letzter Zeit nach Angaben der Polizeibehörden immer
mehr gewaltbereite Neonazis. In Sachsen, speziell in Chemnitz, hat
diese Vermischung der Hooligan und Neonaziszene schon eine neue
Parole zur Welt gebracht: 'HOO-NA-RA'.
'HOO-NA-RA' steht für 'Hooligans –
Nazis – Rassisten' und ist nicht nur ihre Losung, sondern auch die
ebenso treffende wie aufrichtige Selbstbezeichnung des lokalen
Milieus aus Neonazis, Hools und Kleinkriminellen. Ob im Stadion von
Chemnitz, auf der Straße oder während eines so genannten Fight
Clubs, die Parole der sächsischen Hardcore-Rassisten ertönt überall
wo diese sich gerade bewegen. Es ist ihnen eigentlich egal wo sie
gerade ihren Hass verbreiten, die Hauptsache ist, dass ihnen jemand
zuhört. Umso mehr, umso besser.
Und was für ein Zufall: Derzeit liegt
die Hauptaufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf der kommenden
Fußball-WM in Deutschland und damit auch auf die zu befürchtenden
Krawalle von Fußballfans. Das wissen natürlich auch die Neonazis
unter den Fußballfans wie auch die NPD.
Gesellschaftliches Gegensteuern
Die Taktik ist damit eigentlich
offensichtlich. Während die rechtsextreme Partei auf der Suche nach
einem Aufhänger um in die Öffentlichkeit zu kommen über die WM
gestolpert ist, betreiben die neonazistischen Hooligans ihren
alltäglichen Kampf gegen alles Undeutsche und freuen sich, wenn sie
durch die Sensibilität der Presse im Vorfeld der WM noch häufiger
als sonst ihre Hackfresse in einen Kamera halten können.
Schnelle Abhilfe dagegen liegt in
utopischer Ferne. Einerseits wird es kein Polizeiaufgebot der Welt
verhindern können, dass irgendwo auf einer Waldlichtung Hooligans
aufeinander treffen, andererseits ist es auch nicht einmal mit den
besten Überwachungsmöglichkeiten möglich nachzuweisen wer in einem
Block nun genau angefangen hat mit den antisemitischen oder
rassistischen Sprechchören.
Es ist eine Crux, wem wirklich am
Herzen liegt, dass Neonazis, Stammtischrassisten und nationalistische
Chauvinisten das Handwerk gelegt wird, der muss sich langfristig
engagieren. Die kurzfristige Skandalisierung von neonazistischen
Aktivitäten ist keinerlei Ersatz zur langfristige Projektarbeit.
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