Die Repression in den Zeiten des Bushido. Warum Berliner Rapper so erfolgreich sind
Ralf Fischer / Junge Welt
Seit geraumer Zeit sind die
Protagonisten der Berliner Rapszene Lieblingsthema bei den
Jugendschützern. Sie sagen, die Rapper seien sexistisch und
homophob. Was sie auch sind. Doch wer vor ihnen warnt, macht für
sie PR. Achtung, Unterschicht! Nicht diskursfähig! Erst ihre
Verteufelung ermöglichte den Berliner Proleten den kometenhaften
Aufstieg.
»Und die verbieten mich / doch
die Kinder lieben mich«, reimt Bushido im schlechten Stakkato
selbstsicher auf seinem neuen Album »Staatsfeind Nr. 1«.
Der bekennende SPD-Wähler ist samt seinen ehemaligen
Battle-Rap-Kollegen vom Plattenlabel »Aggro Berlin« so
etwas wie die späte Rache am linkspolitisch-korrekten Deutschrap
vergangener Tage. Die Attitüde, sich als »Starke
Verlierer« zu gerieren, ist in erster Linie eine Antwort auf
den Fun-HipHop made in Germany aus den 90er Jahren und erst in
zweiter Linie eine Erfindung von Labelbossen. Sido, Fler und Bushido
sind die Böhsen Onkelz im Deutschrap. Sie sind zielgenau
antimodern, auf flotte Art und Weise besonders dumpf und bestätigen
alle Voruteile. Sie sind auch nicht die Besten ihres Genres, tragen
aber dafür panisch dick auf. Der Kampf dieser Underdogs um
Aufmerksamkeit erinnert an Kinder, die ihre Mütter auffordern,
ihnen endlich mehr Beachtung zu schenken. In ihren Liedern setzen sie
sich verbalradikal in Szene, um eine abstoßende Stärke zu
demonstrieren, die sie dann in Interviews als Kunst bezeichnen. Der
alte Rammstein-Trick (vergl. u. a. jW 3.9.97, jW 5./6.5.2001).
Konformistische Rebellen, die hauptsächlich auf dem Schulhof und
im Kinderzimmer gehört werden. Denn wer steht da schon auf und
geht auf Nimmerwiedersehen? Wo doch Ausbildung so wichtig ist!
Auch die Rapper bilden aus. Lehr- und
Lernfach ist die repressive Sexualmoral, wonach Sex immer mit Schuld
und Sühne in Verbindung steht. Das wird von manchen Popstars
vielleicht anders gesehen, doch die Underdog-Rapper beten das
herunter, als wären sie die eigenen Eltern. Nur die Wörter,
die sie benutzen, machen den Unterschied. So etwas wie einen
»Arschficksong« möchten Eltern und Jugendschützer
nicht im Radio. Kids hören sich das Lied gerne an, denn sie
teilen die Ressentiments gegen Schwule. Aggressive
Zwangsheterosexualität hat noch niemandem geschadet, der es im
Leben weit bringen soll und will. Wer sich nicht hart macht, der wird
untergebuttert – das ist das kapitalistische Prinzip in Kurzform.
Wenn Deklassierte andere deklassieren, dann entwickeln sie sogar
Selbstbewußtsein. Kinder sollen doch selbstbewußt sein,
hört man immer wieder. Bei Bushido und seinen Kumpels wird
nichts gesellschaftlich kritisiert, sondern individuell Angst
verbreitet. Offiziell. Live ist es eher trübe: »Und dann?
Passierte im Grunde nichts«, stellte Tobias Rapp verwundert in
der taz über Bushidos Berlin-Konzert fest.
Daß es trotzdem auch anders geht,
demonstriert Rapper Samy Deluxe. Gemeinsam mit den Headliners und
einigen anderen Hamburger Kollegen hat er für sein Label »Deluxe
Records« eine Platte gezaubert, die für all den
»Deutschrap«-Schrott entschädigt. Handwerklich
erinnert der Style der Hamburger eher an die US-amerikanischen
Vorbilder, als an den blechernen Sound der deutschen Nachahmer.
Gewohnt gekonnt rappen Samy Deluxe und die Headliners über die
Szene, das Leben und die Liebe. Ob es nun um die »Schönste
Frau« geht, die den Männern niemals begegnen wird, oder um
die Rapkonkurrenten – Rapper sollen merken, wie leicht sie
letztendlich austauschbar sind: »Kids vergessen euch noch
schneller als ihre Scheiß-Hausaufgaben«. Es wäre
auch wünschenswert, wenn die Kinder darauf hören würden,
was ihnen die junge Dame am Ende des Liedes »Verlieb dich nie
in ein’ Rapper« gegen die soziale Zurichtungsanstalt HipHop
mit auf den Weg gibt: »Hört mal ein bißchen Tekkno.
Hört mal bißchen elektronische Tanzmusik. Macht mal ein
bißchen bumm bumm. Dann geht das auch weg ey!«
* Bushido: »Staatsfeind Nr.1«
(Universal), V. A.: »Deluxe Records Let’s Go« (EMI),
Bushido auf Tour: heute, Stuttgart, LKA Longhorn; 1.2. Nürnberg,
Hirsch; 2.2. Würzburg, Soundpark Ost; 3.2. Mannheim, Capitol;
4.2. Saarbrücken, Garage; 5.2. Freiburg, Jazzhaus; 7.2. Kiel,
Max; 8.2. Hamburg, Grünspan; 9.2. Bremen, Tivoli; 10.2.
Magdeburg, Fichtestraße; 11.2. Chemnitz, Südbahnhof
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