Mittwoch, 12. Oktober 2005

»Ich bin alt und brauche das Geld!«

Jeder soll sagen, was er will: Ein Gespräch mit Denyo (Beginner) über sein neues Soloalbum »The Denyos«

Ralf Fischer / Junge Welt

RF: Auf der letzten Denyo-Platte »Minidsico« gab es die Aufforderung, daß die Hörer sich die Platte brennen sollen.

D: Da war ich jung und brauchte kein Geld.

Das hat sich jetzt geändert?

Jetzt bin ich alt und brauche das Geld! Nein, Quatsch, ich sehe das natürlich jetzt anders. Wenn man etwas cool findet, dann soll man sich das kaufen. Wenn ich zu wenig Platten verkaufe, dann kann ich halt keine neue Platte mehr machen.

Das erste Denyo-Soloalbum »Minidisco« war dann auch 2001 ein kommerzieller Flop. Jetzt kommt »The Denyos«. Welche Entwicklung liegt dazwischen?
 
Wenn man »Minidisco« und »The Denyos« nacheinander hört, bleiben viele Fragen offen. Wenn man aber »Blast Action Heroes«, die letzte Platte der Absoluten Beginner, dazwischen schiebt, versteht man die Angelegenheit besser. Ich bin nun mal Mitglied in einer Band und gleichzeitig ein Solokünstler, dementsprechend kann ich bestimmte Epochen nicht einfach rausschneiden. Mit »The Denyos« habe ich nun etwas ganz anderes vor!

Was soll das sein?

Mich zu etablieren! Ich bin einfach seit vierzehn Jahren Mitglied bei den Beginnern und das ist wunderbar. Aber darüber hinaus sehe ich in mir noch mehr, als nur der Beginner Denyo zu sein. »The Denyos« ist so etwas für mich, wie: »Ich scheiße auf die Beginner, ich bin Denyo und ich komme hier mit meinen Soloscheiß und der ist geil. Damit zeige ich Euch mal was geht.« Das ist aber keine Konkurrenz für die Beginner, denn mit denen kann man nicht konkurrieren. Das versuche ich auch gar nicht erst, weil ich da gnadenlos scheitern würde.

Auf dem letzten Album waren noch viele befreundete Kollegen aus Hamburg vertreten, bei »The Denyos« ist Denyo fast komplett allein am Wirken.
 
Ich sehe mich als Rapper, der nicht mehr unbedingt lokal gebunden ist. Es gibt diese Familie in Hamburg nicht mehr in der alten Form. Sie ist auf jeden Fall kleiner geworden. Ich habe natürlich noch meine Kollegen Dendemann, Illo, Bo und Digger Dance. Die finde ich alle cool, und wenn man sich mal trifft, ist alles entspannt. Aber die Leute, die mir am Herzen liegen, sind ganz wenige und die sind alle auf dem Album vertreten: Tropf, Jan und Mad. Mit den alten Hasen habe ich auch schon zuviel gemacht. Und zu den ganzen neuen Leuten passe ich nicht, denn ich bin zu different.

Und auch politisch enttäuscht von den Schröder-Jahren? In einem Lied von der neuen Platte heißt es: »Schrecklich dieser linke Staat, der einen nervt wie Linkin Park!«
 
Ja, das ist traurig. Es gibt kein Wachstum, was aber gar nichts mit der Innenpolitik zu tun hat, sondern einfach mit äußeren Umständen: Zum Beispiel mit Kriegen, mit den Ölpreisen und mit
George Bush, der im Irak einmarschiert. Mit irgendwelchen Wahnsinnigen, die mit Flugzeugen in Riesengebäude rein fliegen. Dann heißt es immer, die Politik funktioniert zu schlecht. Das Volk ist nun mal dumm, und die Medien sind hetzerisch.


In Berlin hetzten die Medien in den letzten Monaten vor allem gegen Graffiti. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) setzte sogar Hubschrauber zur Jagd auf Sprüher ein.
 
Das ist halt die typische Politik hier, die dem Volk die Schuldigen immer schön einfach präsentiert, à la Ausländer und Graffitisprüher sind an allem Schuld, und wenn die weg sind, ist alles gut. Somit fängt man Wählerstimmen, damit Spießer ihre Tagträume ausleben können. Polizeiaktionen gegen Sprüher gab es allerdings schon früher. Wir haben dann immer Jams veranstaltet, wo wir umsonst gespielt haben. In Berlin sollte das wohl auch möglich sein.

Das Verhältnis zwischen einzelnen Rappern und den Jugendschützern ist auch nicht viel besser. Immer häufiger sorgen Raptexte für moralische Empörungen und Rufe nach dem starken Staat.
 
Hier zeigt sich ein totales Unverständnis. Heute hört ein 13jähriges Mädchen den derbsten Gangstarap, weil seine Mama das bestimmt noch nicht gehört hat. Wir leben in einer Demokratie. Jeder kann sagen, was er will! Es ist ja auch immer die Frage nach der Henne und dem Ei. Wenn es zu wenig Bildung gibt und zu wenig Möglichkeiten, sich auszuleben, dann muß man sich nicht wundern, wenn die Leute sich irgendwann auf die Fresse hauen oder es geil finden, Texte zu hören, in denen sich Leute auf die Fresse hauen.

Apropos Bildung. »Also geht in den Plattenladen und nicht ins Klassenzimmer, habt ihr kleinen Kinder von Tuten und Blasen keinen blassen Schimmer?« hieß es noch auf »Minidisco«. 
 
Ich würde niemanden raten, nicht zur Schule zu gehen. Im Gegenteil, ich habe selber einen jüngeren Bruder, der ist 14, und der schwänzt jetzt auch die Schule. Das geht aber nicht klar so! Aber das weiß man immer erst, wenn man ein bißchen älter ist. Ich wollte kein Album machen, auf dem ich die Leute dazu animiere, Bong zu rauchen, sich gegenseitig zu prügeln und die Schule zu schwänzen. Ich will etwas positives aussagen und zwar ohne den Will-Smith-Faktor! Andererseits muß man das Zitat auch im Ganzen sehen: Ich wollte damit eigentlich ausdrücken, daß es auch außerhalb der Schule Möglichkeiten gibt, etwas zu lernen. Damit meinte ich zum Beispiel das Zeug, das einem Chuck D. vermittelt. Aber den gibt es ja heute nicht mehr, sondern nur noch 50 Cent für die Typen und Ashanti für die Frauen, und da würde ich schon sagen: »Geht lieber in die Schule«.

* Denyo, »The Denyos« (Universal)

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