Freitag, 4. Februar 2005

Ängstliches Kokeln

The Teacher versus Pädagogen. Eine Tagung in Weimar

Ralf Fischer / Junge Welt

Ende der 70er Jahre schmissen DJs, Breaker, Sprayer und Skater in US-amerikanischen Vorstädten die ersten Blockpartys. HipHop war sexy und rebellisch. Egal, ob Latino, »Black« oder White Trash – via Sprühdose, Skateboard oder Tanz besetzten vor allem jene Kids, die keine Kohle hatten, während der Reagonomics den tristen Alltag in ihren Ghettos. Nie ging es dabei nur um Party. Viele wollten mehr sein als Teil einer Jugendbewegung. KRS One zum Beispiel, einer der ersten MCs (Rapper) dieses Planeten, kehrte seinem zerrütteten Elternhaus sehr jung den Rücken und lebte fortan auf der Straße. Dies war nicht sein Ende, sondern der Anfang seiner Weltkarriere. And he is also known as »The Teacher«.

KRS One brauchte gerade mal noch Bibliotheken, um zu erkennen, daß sich die Welt nicht so, wie sie eingerichtet ist, weiter drehen darf. Sein politisches Engagement war auf dem eigenen Mist gewachsen, einfach durch intensives Studium der Umgebung, nicht durch die Agitation staatlich bezahlter Sozialpädagogen. Um dies zu verstehen, oder auch nicht, trafen sich am vergangenen Wochenende Sozialpädagogen, unbedarfte Jugendliche, Vertreter der politischen Bildungsarbeit und eine Handvoll Experten aktueller Jugendkulturen in Weimar. Das Desaster dieses Aufeinandertreffens sei hier umrissen.

»Popkultur und Politik« war das Thema der Konferenz, veranstaltet vom Archiv der Jugendkulturen e.V. in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung und der Europäischen Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätte Weimar. Doch schafften es die Sozialpädagogen und Referenten, das Thema fast komplett unter den Tisch fallen zu lassen. Statt es zu erörtern, geiferten sie nach Konzepten, die mit/über/durch HipHop oder andere Subkulturen ihre Jugendarbeit wieder populär machen könnten. Unbedingt wollten sie die Schäfchen, die sich ihrer Kontrolle entziehen, endlich wieder unter ihre Fittiche, ihre Kontrolle, bekommen. Wo pädagogische Projekte wie Malen nach Zahlen oder Aerobic zu 80er-Jahre-Hits auf ganzer Linie gescheitert sind, ist diese händeringende Suche nach neuen Ansätzen wohl verständlich. Wenn aber für paar Kröten vom Staat nun etwa HipHop-Musicals produziert werden sollen, gehört das nach allen Regeln der Kunst denunziert.

Zur Krönung wußten die versammelten Wohlmeinenden zu berichten, daß der deutsche HipHop-Trend – Aggro Berlin, AZAD, Kool Savas – das Ende der Fahnenstange jeder bislang ach so toleranten Jugendkultur sei. Wer Drogen verherrliche und sich sexistisch oder eindeutig homophob artikuliere, sei ein gesellschaftliches Problem. So die eingängige Argumentation der Jugendarbeiter. Klasse Erkenntnis! Die übergroße Mehrheit der bundesdeutschen Jugendlichen dürfte diese Kriterien erfüllen. Was für ein Potential! Genug Arbeit für Jahrzehnte.

»Each one teach one« war der Leitspruch von KRS One. Einige Sozialarbeiter dagegen zogen ein anderes Motto für ihre Jugendarbeit in Erwägung: Schlage einen, erziehe Hunderte. HipHop will nicht bildungshubermäßig auf Kids einwirken, sondern Möglichkeiten und Schwierigkeiten des Bizz aufzeigen, welches das Leben ist. Die Beats sind, ähnlich wie im Techno, Herzschläge: So geht die Taktfrequenz des Lebens, legal oder illegal. Pädagogen können das nicht mal ansatzweise nachvollziehen. Ihre Taktfrequenz ist vom Staat vorgegeben. Deswegen kann sozialpädagogischer HipHop nur jedem am Arsch vorbeigehen. Schon aufgesetzt sozialkritischer deutscher HipHop erreicht nur das politisch korrekte Publikum. Das »Nein« der HipHop-Rebellen richtet sich gegen jeden gesellschaftlichen Konsens.

Wie konformistisch diese Revolte letztlich ist, konnte in Weimar kaum reflektiert werden, weil die Sozialpädagogen ihren Ressentiments jedesmal ungefragt freien Lauf ließen, wenn es spannend zu werden drohte. Man fühlte sich in die eigene Schulzeit zurückversetzt, in der Musik zum Lebenselixier wurde. Nachdem einem Erzieher übel mitgespielt hatten, brauchte es den emotionalen Sandsack, die weiche Wolke, in die man sich fallen lassen konnte. Damals lernte man, daß Musik und Pädagogik sich zueinander verhalten wie Feuer und Wasser. Deshalb, an alle HipHopper: Paßt auf, daß euer Feuer weiterbrennt und sich die Staatsbüttel ihre Finger verbrennen. Stay Raw! Stay Rebell!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen