Donnerstag, 8. Juli 2004

Antifa Oranienburg ruft zur Demonstration auf

Erinnerung an Erich Mühsam und aktueller Widerstand gegen neofaschistische Umtriebe

Ralf Fischer / Neues Deutschland


Anlässlich des 70. Jahrestages der Ermordung von Erich Mühsam ruft ein Bündnis von Antifagruppen aus Berlin und Brandenburg am kommenden Sonnabend zu einer Demonstration in Oranienburg auf. Man möchte aber nicht nur an den Dichter und Anarchisten erinnern, sondern auch neofaschistischen Umtrieben in Oranienburg offensiv entgegentreten. Das scheint dringend nötig zu sein. Dass in Oranienburg unterschiedlichste Strukturen der extremen Rechten aktiv sind, verrät schon ein kurzer Spaziergang durch die Stadt. Die Propaganda der lokalen Kameradschaft sowie der NPD pappt hier und da. Der Bahnhof, der Schlosspark und die Stadtfeste sind nach Angaben der örtlichen Antifagruppe regelmäßig durch rechte Cliquen und teilweise bekannte Neonazis besetzt. Die hiesige NPD ist in letzter Zeit mit Plakaten, Aufklebern und Infoständen massiv in Erscheinung getreten. Als im Januar im Gebäude des Forums gegen Rassismus und rechte Gewalt eine Informationsveranstaltung zur rechtsextremen Organisation Märkischer Heimatschutz (MHS) stattfand, versuchten 30 Personen aus dem Kameradschaftsspektrum, die Veranstaltung zu stören.

Die Geschichte mahnt »Schweigen ist Gold – Reden Oranienburg«. Dieser Spruch war 1933 rund um Berlin weit verbreitet. Er drückte die Angst vor dem KZ Oranienburg aus. Dorthin brachten die Faschisten einen Monat nach dem Reichstagsbrand die ersten Gefangenen – im Rahmen eines Fackelmarsches der SA und unter der begeisterten Teilnahme vieler Bürger.

Als Mitte 1934 die SS die Führung im KZ Oranienburg übernahm, verschärften sich die Haftbedingungen noch einmal drastisch. Willkürliches Verprügeln, Dunkelhaft in den Steinsärgen der alten Brauerei und Zwangsarbeit bis zur totalen körperlichen Erschöpfung wurden zur Regel. Im Zuge dieser verschärften Maßnahmen wurde auch Erich Mühsam am 10. Juli 1934 von den SS-Wachmännern ermordet.

1878 geboren, gehörte Mühsam 1919 in Bayern zu den Anführer der Arbeiterrevolution und der kurzlebigen Münchner Räterepublik. Nachdem diese militärisch niedergeschlagen wurde, kämpfte er in der Roten Hilfe für die Freilassung politischer Gefangener. 1925 schloss ihn die KPD wegen seiner Kontakte zur Föderation Kommunistischer Anarchisten Deutschlands aus. Mühsam verfasste zwar politische Schriften, in denen er sich für einen kommunistischen Anarchismus aussprach, er war aber kein typischer Theoretiker. Er warnte frühzeitig vor dem aufkommenden Faschismus. Der deutsche Untertanengeist war Mühsam zuwider. »Sich fügen heißt lügen!« – so endet eines seiner berühmtesten Gedichte.
 
Demonstration »Sich fügen heißt lügen!«, Sonnabend, 10. Juli, 15 Uhr, S-Bhf. Oranienburg,
Treff für Berliner: 13.45 Uhr, S-Bhf. Friedrichstraße,

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen