Donnerstag, 1. Januar 2004

"its paradise" Vol. 1 - BERLIN STREETART 2004

Streetart-Fotos aus dem Jahre 2004

Deutsche Opfer

Die Gesellschaft für bedrohte Völker setzt auf völkische Ideologie

Ralf Fischer / iz3w

Die GfbV wurde 1968 gegründet und bezeichnet sich heute als "größte Menschenrechtsorganisation in Deutschland nach amnesty international". Nach eigenen Angaben hat sie 8.300 Mitglieder und 30.000 Förderer. Sektionen der GfbV sind in der "Autonomen Provinz Südtirol", in der Schweiz, in Österreich und in Bosnien-Herzegowina aktiv, Repräsentanten sind in Frankreich, Großbritannien und den USA tätig. Hauptsitze sind Göttingen und Bozen.


Die GfbV legt Wert darauf, daß sie "unabhängig von Ideologien und politischen Lagern" arbeitet. Nicht zuletzt deshalb erfreut sie sich einer breiten Akzeptanz, die sich unter anderem in der Unterstützung durch die Bundesregierung äußert. Amnesty International Deutschland drückt seine Sympathie schon in seiner Satzung aus: Das Vereinsvermögen soll bei einer eventuellen Auflösung zur Hälfte an die GfbV fallen. Und der Informationsdienst gegen Rechtsextremismus nutzt die GfbV als Quelle zum Thema "Sinti und Roma". Auf der anderen Seite wird die Homepage der GfbV oft in nationalrevolutionären Fanzines gepriesen und die rechtsintellektuelle Zeitung Junge Freiheit lobt die GfbV als "Vertreter und Unterstützer bedrohter Nationalitäten und Stammesvölker und ethnischer und religiöser Minderheiten".

Renegat der Linken


1995 wurde bekannt, daß im Beirat der GfbV unter einem Tarnnamen der ehemalige Verwalter des Ghettos in Kolomea (Polen) Peter Volkmann arbeitete. Er war für den Tod von 30.000 Juden verantwortlich. Heute sitzen in diesem Beirat Carl Amery, Freimut Duve, Rupert Neudeck und Martin Walser. Politischer Kopf ist aber Tilman Zülch, Generalsekretär der deutschen Sektion und einer der Gründer der Völkerrechtsorganisation. Begonnen hat seine politische Karriere 1963 als Vorsitzender des Sozialdemokratischen Hochschulbundes sowie als Mitglied der APO. Zum offenen Bruch mit der Linken kam es, als sich die GfbV 1991 aus dem Bundeskongreß entwicklungspolitischer Aktionsgruppen (BUKO) verabschiedete - wegen "dogmatischer Gruppen", die sie in ihm ausgemacht hatte.

Seit 1993 hat die GfbV beratenden Status beim Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen. Dort vertritt sie nach eigenen Angaben "die Interessen verfolgter, unterdrückter und vertriebener Volksgruppen und Minderheiten". Dazu zählen insbesondere diejenigen der verschiedenen deutschen Landsmannschaften, die sich ihre aufgrund des Zweiten Weltkrieges 'verlorene Heimat' in den heutigen osteuropäischen Staatsgebieten wieder aneignen wollen. Die GfbV ist inzwischen eine der wichtigsten revanchistischen Organisationen, die neben dem Bund der Vertriebenen Druck auf die deutsche Politik machen. So forderte die GfbV die Bundesregierung bei ihrer Jahreshauptversammlung 2001 dazu auf, sie solle "auf europäischer und internationaler Ebene politische Schritte unternehmen, damit (...) sämtliche Gesetze und Verordnungen, durch welche die Vertreibung der Deutschen nach dem 2. Weltkrieg angeordnet bzw. nachträglich legalisiert wurde, von den heutigen EU-Beitrittskandidaten im östlichen Mitteleuropa als historisches Unrecht anerkannt wird und aufgehoben werden". Zülch sitzt gemeinsam mit Guido Knopp, Peter Scholl-Latour, Otto von Habsburg und anderen im wissenschaftlichen Beirat für das vom Bund der Vertriebenen initiierte Zentrum gegen Vertreibung. In der derzeitigen Debatte über deutsche Revisionsansprüche gegenüber Polen oder Tschechien agiert die GfbV somit als zivilgesellschaftlicher Vorreiter für deutsch-völkische Innen- und Außenpolitik.

Für diese Art von Menschenrechtsarbeit bekam der 1939 laut eigener Angabe in "Deutsch-Libau (Sudetenland)" geborene Zülch nicht nur das Bundesverdienstkreuz, sondern auch den Menschenrechtspreis der Sudetendeutschen Landsmannschaft und die Ehrenplakette des Bundes der Vertriebenen verliehen. Selbst die Friedensbewegung preist den deutschen "Menschenrechtler": Die Dr.-Roland-Röhl-Stiftung sprach ihm 2003 den Göttinger Friedenspreis zu. Zülchs Laudatorin, die grüne Entwicklungspolitikerin Uschi Eid, störte sich nicht daran, daß die GfbV Vorstellungen von Durchsetzung der "fundamentalen Menschenrechte" hat, die kaum mit den Zielen der Friedensbewegung kompatibel sein dürften. Denn nach Ansicht der GfbV soll dies durch "ständig einsatzbereite militärische Eingreiftruppen" sicher gestellt werden. Schon Ende der 90er Jahre machte sich die GfbV für den Nato-Militäreinsatz inklusive deutscher Soldaten im ehemaligen Jugoslawien stark.

Allgemeines Völkermorden


Als Vorsitzender einer großen "Menschenrechtsorganisation" ist Zülch besonders dafür geeignet, die Relativierung der deutschen Verbrechen als Verteidigung universaler Menschenrechte erscheinen zu lassen. Was der Bund der Vertriebenen für die "deutsche Volksgemeinschaft" erstreiten will, das versucht die GfbV weltweit für ethnisch oder religiös verfolgte Volksgruppen zu erkämpfen: Das "Recht auf Heimat" sowie die Anerkennung ihrer jeweiligen, kulturell oder ethnisch homogenen Identitäten, die als quasi-natürlich vorausgesetzt werden. Zugunsten einer "Identität in kleinen ethnisch homogenen Einheiten" richtet sich die GfbV gegen das universalistische Gleichheitsprinzip und individuelle Freiheitsrechte, wie sie eigentlich im Menschenrecht angelegt sind.

Mit ihrer offen erklärten Politik, auf "Volksdeutsche" die gleichen Maßstäbe anzulegen, wie sie für die Opfer von Naziverbrechen gelten, betreibt die GfbV jedoch nichts weniger als die Relativierung des deutschen Vernichtungskriegs. Die Umkehrung von Täter- und Opferrolle ist ein wichtiger Bestandteil der Strategien, die sich die Neue Rechte auf die Fahnen geschrieben hat. Auch die immer wieder vorgetragenen Vergleiche der GfbV zwischen "Hitler-Deutschland" und der Sowjetunion sind typische Elemente der Versuche, die Geschichte umzuschreiben und die deutschen Verbrechen im totalitären "allgemeinen Völkermorden" des 20. Jahrhunderts verschwinden zu lassen. Aus dieser Logik heraus fordert die GfbV die Zuwanderung deutscher "Volksangehöriger", also von "Spätaussiedlern", "Rußlanddeutschen" und "Rumäniendeutschen". Denn sie seien als "Volksgruppe kollektiv Opfer der Politik der Gewaltregime Hitlers und Stalins geworden" und daher gezielt zu fördern.

Heikle Bündnispolitik


Im Rahmen von konkreter Solidaritätsarbeit zugunsten unterdrückter Minderheiten sucht die GfbV immer wieder Anschluß an die linksalternative Szene, so wie umgekehrt auch diese immer wieder Kooperationen eingeht. So ist die GfbV auf dem alljährlichen Aktionstag gegen Rassismus, Neonazismus und Krieg in Berlin meist mit einem Info-Stand vertreten. Im Oktober 2003 veranstaltete die Berliner Ortsgruppe der GfbV im Kreuzberger Mehringhof eine von der Heinrich-Böll-Stiftung geförderte Benefizwoche für die Mapuche in Chile. Die Verantwortlichen des linken Zentrums hatten offensichtlich keine Ahnung von der Ausrichtung der GfbV. Antifaschisten blieb nur übrig, gegen die Veranstaltungen mit Flugblättern und Plakaten zu protestieren.

Bündnispolitik mit der GfbV betreiben auch Leute, die es eigentlich besser wissen sollten und die mit der Relativierung deutscher Verbrechen nichts am Hut haben. So veröffentlichte der Mitarbeiter der entwicklungspolitischen Hilfsorganisation WADI, Thomas von der Osten-Sacken, gleich in zwei aufeinander folgenden Ausgaben der GfbV-Zeitschrift pogrom (3/2003 und 4/2003) Artikel über die Situation im Nachkriegs-Irak. Von der Osten-Sacken und Zülch haben zusammen mit der Koalition für einen demokratischen Irak sowie mit Hans Branscheid von Medico International im November 2002 eine gemeinsame Pressekonferenz durchgeführt und im März 2003 einen Brief an Günter Verheugen von der Europäischen Kommission geschrieben. Immer wieder kommt es auch zur unfreiwilligen Vereinnahmung von linken Strukturen oder Einzelpersonen durch die GfbV. So prangte auf dem Plakat zur Mapuche-Benefizwoche das iz3w-Logo. Erst nach energischem Widerspruch aus Freiburg erklärte die Berliner Ortsgruppe, dies beruhe auf einer Verwechslung mit dem namensgleichen Dortmunder Informationszentrum Dritte Welt. Kaum mit einem Irrtum herausreden kann sich die GfbV indes im Falle des Autors Thomas Schmidinger. Sie druckte ohne dessen Zustimmung in der pogrom (3/2003) einen Beitrag von ihm.

Die Kooperationen mit der GfbV sind meistens punktuell und oft durch inhaltlich übereinstimmende Themenfelder oder Interessen zu erklären. Doch das macht sie nicht weniger problematisch. Als Schnittstelle zwischen der Neuen Rechten, der Bundesregierung und der Internationalismus- sowie Menschenrechtsbewegung schafft es die GfbV, ihre ethnopluralistische, völkische und interventionistische Ideologie breit zu streuen. Die durchaus fortschrittlichen Aktivitäten im Repertoire der GfbV wie zum Beispiel die Unterstützung der Sinti und Roma, der irakischen Opposition oder von Asylbewerbern in Deutschland sollten nicht darüber hinweg täuschen, daß dieses Engagement von ideologischen Motiven geprägt ist, die emanzipatorischen Vorstellungen entgegen stehen.