Dienstag, 29. Mai 2001

Berliner Schnitzeljagd

CDU-Fraktion verortet Grüne und PDS als parlamentarischen Arm von »Linksextremisten«

Ralf Fischer / Junge Welt

Die Innenausschußsitzungen des Berliner Abgeordnetenhauses sind jedes Jahr im Mai von der Auseinandersetzung über die - zumeist völlig überzogenen - Polizeieinsätze am vorausgegangenen 1.Mai geprägt. Auch in diesem Jahr mußten wieder Schuldige her, und so präsentierten CDU-Fraktion und Senatsinnenverwaltung stolz die Grünen und die PDS als Sündenböcke.

Begründet wurde dieser Unsinn mit dem Fest am Mariannenplatz und der Anmeldung einer Demonstration gegen das vorher verhängte Demoverbot. Da diese Veranstaltungen, trotz Drängens der Polizei und des Innensenators, nicht abgesagt worden seien, gelten sie nun als Grund für den mißlungenen Polizeieinsatz.

Roland Gewalt, innenpolitischer Sprecher der CDU- Fraktion, behauptete locker, daß Anmeldung und Durchführung der Demonstration - sie begann um 12 Uhr in Berlin-Kreuzberg - Auslöser der gewalttätigen Auseinandersetzungen am frühen Abend auf dem Mariannenplatz gewesen seien. Nach seiner Meinung hätten die Anmelder »Gewalt billigend in Kauf genommen« und den »linksextremistischen Gruppen«, wie der Antifaschistischen Aktion Berlin (AAB), erst die Möglichkeit gegeben, nach Kreuzberg zu gelangen. Auch die Weigerung der Organisatoren vom Mariannenplatz, nicht auf das Fest am 1. Mai zu verzichten, soll nach Auffassung der CDU-Fraktion ein Indiz für die »massive Zusammenarbeit« der Grünen und der PDS mit »gefährlichen Linksextremisten« sein.

Doch außer CDU-Fraktion und Senatsinnenverwaltung wollte niemand diese Version glauben. Die SPD-Mitglieder im Innenausschuß hielten sich weitgehend zurück und lehnten das Abladen der Verantwortung auf die PDS ab; sie sei keine »Chaoten-Partei«. Wolfgang Wieland von den Grünen verwies darauf, daß in diesem Jahr die AAB mit dem Motto »Das Ende der Gewalt!« mobilisiert hatte. Wenn Innensenator Eckart Werthebach (CDU) dies ernstgenommen hätte, wären seiner Meinung nach die gewalttätigen Auseinandersetzungen ausgeblieben. Wieland griff die Polizeiführung wegen ihrer unbegründeten Stürmung und späteren Einkesselung von über 300 Menschen auf dem Mariannenplatz mehrmals scharf an. Doch die bestand auf ihrer angebliche »Erfolgsbilanz«. Neben den schon bekannten Zahlen der Freiheitsentzüge (jW berichtete), schwiegen die Polizisten weiter über die Kosten des Einsatzes. Nur die Zahl von über 70 beschädigten Polizeiwagen wurde bestätigt.

Werthebach und Polizeipräsident Hagen Saberschinsky nahmen an der Sitzung nicht teil. Sie ließen sich entschuldigen und von der zweiten Garnitur vertreten. Die PDS-Vertreter vermuteten dann auch, die Debatte solle von den »systematischen Pannen« und »strategischen Fehlern« der Polizei und ihrer politischen Führung ablenken.

Donnerstag, 17. Mai 2001

Staatsknete für Neonazis

Thüringer VS leistete NPD-Aufbauhilfe

Ralf Fischer & Rainer Balcerowiak / Junge Welt

Während sich der thüringische Landtag am heutigen Donnerstag erstmalig mit der Verfassungsschutzaffäre um die Zusammenarbeit mit führenden Nazikadern beschäftigen wird, erhärtet sich der Verdacht, daß die Behörde massiv an der organisatorischen Entwicklung der regionalen Neonaziszene mitgewirkt hat.

Die »Thüringer Allgemeine« hatte am Wochenende berichtet, daß der Verfassungsschutz (VS) den stellvertretenden NPD- Landesvorsitzenden Tino Brandt seit Jahren als Quelle führt und sechsstellige Honorare an ihn bezahlt hat. In dieser Zeit gelang es Brandt und anderen Top-Nazis, verschiedene zuvor zerstrittene Gruppen wie die »Freien Kameradschaften« oder den »Thüringer Heimatschutz« in gemeinsame Strukturen einzubinden und in den inneren Führungszirkel der NPD aufzusteigen. Unklar ist bisher, ob noch weitere führende Nazis mit dem VS kooperierten, wie Kenner der Szene vermuten. Zudem sollen ausstiegswillige Neonazis vom VS zum Weitermachen angehalten worden sein.

Dank der soliden finanziellen Polsterung aus Steuermitteln konnte Brandt in den letzten Jahren seine Tätigkeiten als reisender Agitator mit fast wöchentlichen Auftritten als Redner und Demonstrationsleiter beträchtlich ausweiten. Als gesichert gilt ferner, daß die Führungsriege der NPD über die Agententätigkeit Brandts informiert war und so den Verfassungsschutz gezielt mit wertlosem »Spielmaterial« oder gezielten Desinformationen beliefern konnte. Der PDS- Bundestagsabgeordnete Carsten Hübner erinnerte in diesem Zusammenhang am Mittwoch gegenüber jW an die »blamable Rolle«, die Thüringens VS bei der Materialsammlung für gerichtsfeste Fakten im Verbotsverfahren gegen die NPD gespielt hat.
Innenminister Christian Köckert (CDU) hatte noch am Dienstag versichert, daß der VS keinen rechtsextremen Spitzenfunktionär als Quelle führe oder geführt habe. Am gestrigen Mittwoch veröffentlichte die Thüringer Allgemeine jedoch Bilder von einem Treffen Brandts mit VS-Mitarbeitern.

Steffen Dittes, innenpolitischer Sprecher der PDS- Landtagsfraktion in Thüringen, wertete die Aussage Köckert als »Zeugnis von Inkompetenz«. Zwar wolle man Köckert und der VS-Spitze nicht unterstellen, daß sie den Aufbau der Naziszene bewußt gefördert hätten, aber im Ergebnis sei genau das dabei herausgekommen. Angesichts des Aufschwungs der Naziszene und der Hilflosigkeit der Behörden stelle sich die Frage, »wer hier wen ausspioniert hat«. Man werde jetzt alle Hebel in Bewegung setzen, die Sache aufzuklären und, falls sich die Indizien für die direkte Verantwortung des Innenministers bestätigten, auch dessen Rücktritt fordern, so Dittes. Aus der parlamentarischen Kontrollkommission, dem für die Kontrolle des VS zuständigen Gremium, ist die PDS jedoch von CDU und SPD in Thüringen ausgeschlossen worden.

Montag, 14. Mai 2001

Historisches Topfschlagen

Kontroverse Debatten auf der Berliner Rechtsextremismus- Konferenz der PDS

Ralf Fischer / Junge Welt

Am Wochenende fanden sich im Rathaus Schöneberg weit über 300 Teilnehmer ein, um an der internationale Konferenz »Für eine tolerante Gesellschaft - gegen Rechtsextremismus und Rassismus« teilzunehmen. Die vom Parteivorstand und der Bundestagfraktion der PDS sowie dem Forum der neuen Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke organisierte Konferenz sollte die unterschiedlichen europäischen Erfahrungen und Analysen über Ursachen und Strukturen der extremen Rechten in Europa beleuchten und zum Austausch von Gegenstrategien beitragen.

Die Eröffnungsrede der Vorsitzenden der PDS, Gabi Zimmer, leitete die Konferenz ein. In ihrer Ansprache ging sie auf die Alltäglichkeit des Rassismus und Rechtsextremismus in ganz Europa ein und thematisierte die Entwicklung in Ostdeutschland. Sie beklagte das kulturelle und politische Klima in Deutschland. Schweigende und wegsehende Menschen in größer Zahl würden das Auftreten und Erstarken fremdenfeindlicher und neofaschistischer Gruppen erst ermöglichen. Zudem sei es ein Unding, daß ausgerechnet jene Menschen, die sich aktiv in antifaschistischen Gruppen engagieren, Jahr für Jahr als Linksextremisten diffamiert im Verfassungsschutzbericht wiederfinden würden.

In bezug auf die DDR und den dort zu suchenden Faktoren für das Anwachsen rechter Strömungen meinte Zimmer: »Selten waren sich Volk und die als Regierung agierende Partei der DDR so einig, wie dann, wenn es um Ausgrenzung anderer ging«. Sie forderte die Bereitschaft zu »schmerzhaften Erkenntnissen« und ergänzte: »Wir müssen akzeptieren, daß die autoritäre Erziehung in der DDR, die zum Teil sinnlos normative Ordnung des DDR-öffentlichen Lebens, die spießigen, zu politischer Intoleranz erhobenen Einstellungen gegen Andersdenkende und Anderslebende gesellschaftlich anerkannt waren.« Das habe auch Einfluß auf die Sozialisation des Nachwuchses gehabt.

In insgesamt sieben Foren wurden anschließend Fragen der Ursachen von Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit und Gegenstrategien diskutiert. Die Auseinandersetzung mit Ursachen des Rechtsextremismus in der DDR waren in fast allen Workshops erregtes Diskussionsthema. Einige Teilnehmer vrneinten die Existenz neofaschistischer und antisemitischer Einstellungen in der DDR und einen Zusammenhang zwischen Strukturen der DDR-Gesellschaft und rassistischer Gewalt in den neuen Bundesländern. Andere forderten eine »realistische Sicht« auf die DDR und den dort gepflegten Umgang mit Ausländern, die oftmals ghettoisiert worden seien. Unter der Fokussierung auf diesen Punkt litten teilweise die Diskussionen über mögliche Gegenstrategien.

Zum Abschluß der Konferenz wurden am Sonntag Initiativen für eine tolerante Gesellschaft debattiert. Neben Oberrabbiner Andreas Nachama, dem Politikwissenschaftler Hajo Funke und Didier Motchane vom Mouvement des Citoyens (MDC) aus Frankreich diskutierte die Berliner PDS- Vorsitzende Petra Pau über Möglichkeiten der offiziellen Politik und eines jeden einzelnen, gegen Rassismus und Rechtsextremismus vorzugehen.

Der Pressesprecher der PDS, Hanno Harnisch, zeigte sich mit der großen Resonanz und dem Verlauf der Konferenz sehr zufrieden. Man werde diesen wichtigen Ansatz in der Zukunft ausbauen.

Freitag, 11. Mai 2001

Marschieren für eine Nazi-Normalität

Neonazis wollen erneut in Berlin gegen die »Intoleranz« demonstrieren

Ralf Fischer / Junge Welt

Nachdem am 1. Mai rund 900 Anhänger der NPD relativ ungestört durch Berlin-Hohenschönhausen marschieren konnten, steht für den kommenden Samstag die nächste Neonazidemonstration in Berlin bevor. Zum 12. Mai mobilisiert die Kameradschaft Germania aus Berlin zu einer Demonstration durch den Bezirk Lichtenberg. Vom S-Bahnhof Lichtenberg aus wollen die Neonazis quer durch den Bezirk marschieren. Die Polizei will den Aufmarsch mit Auflagen genehmigen. So sollen nur Fahnen der Bundesrepublik und ihrer Bundesländer erlaubt, Trommeln, Fackeln und das Tragen von Bomberjacken und Springerstiefeln hingegen verboten sein.

Die Kameradschaft Germania ruft sarkastischerweise unter dem Motto »Gegen Faschismus und Intoleranz« zur Teilnahme an der Demonstration auf. Diese Parole, die Mitglieder der Nazi-Gruppierung seit längerem benutzen, wurde schon im Januar bei einem Aufmarsch in Greifswald auf einem Transparent präsentiert. Auch am 1. Mai in Hohenschönhausen waren die Germania-Anhänger mit diesem Transparent dabei.

Das von Christian Worch geleitete »Nationale und Soziale Aktionsbüro Norddeutschland« aus Hamburg ruft ebenfalls zur Teilnahme an der Demonstration auf. Auch Brandenburger Kameradschaften haben auf ihren Internetseiten angekündigt, am Samstag nach Berlin zu kommen.

Das ständige Aufmarschieren der braunen Horden hat indes in Berlin für eine schrittweise Rückentwicklung der antifaschistischen Gegenaktivitäten gesorgt. Auch für den nun angekündigten Naziaufmarsch wird erst seit einer Woche innerhalb der antifaschistischen Szene mobilisiert.

Donnerstag, 10. Mai 2001

»Heldentrauer« in Neuhaus verhindert

Nazis wollen statt dessen am 12. Mai in Sonneberg marschieren

Ralf Fischer / Junge Welt

Seit 1997 haben Neofaschisten jedes Jahr mehr als 200 ihrer Anhänger nach Neuhaus in Thüringen zu einer Gedenkdemonstration mobilisiert. Als Anlaß dient der Tod des Neonazis Sandro Weilkes in der Nacht zum 6. Mai 1995. Weilkes war bei einer Auseinandersetzung zwischen Punks und Neonazis ums Leben gekommen. Er war nach gegenseitigen Pöbeleien und Handgreiflichkeiten noch einmal zu den Punks gegangen, um einem von ihnen ein Messer aus der Hand zu schlagen. Dabei wurde er so schwer verletzt, daß er an den Folgen starb. Der Täter war der Bruder eines Punks, der von den Nazis in vorhergehenden Auseinandersetzungen schwer verletzt worden war.

Am kommenden Sonnabend wollten die Neoazis den Tod ihres »Kameraden« erneut nutzen, um in Neuhaus ihre menschenverachtenden Parolen auf die Straße zu tragen. Doch in diesem Jahr ruft erstmals die Arbeitsgemeinschaft Antifaschismus/Antirassismus des DGB in Thüringen zu einer Demonstration gegen die Neofaschisten in Neuhaus auf. Daraufhin verlegten die Neonazis ihren Aufzug in das benachbarte Sonneberg. Doch auch hier wollen die Antifaschisten die Rechten nicht in Ruhe marschieren lassen. In Sonneberg fand schon am 3. März ein vom »Nationalen und Sozialen Aktionsbündnis Westthüringen« (NSAW) organisierte Neonazi-Demonstration statt. Das NSAW ist eine Organisation, die in Eisenach von Patrick Wischke initiiert wurde, um auch in kleineren Orten Menschen rekrutieren zu können.

Samstag, 5. Mai 2001

Castor-Transport nun im Osten

Massive Polizeipräsenz in Rheinsberg. Proteste von Atomkraftgegnern erwartet

Ralf Fischer / Junge Welt

Im Laufe der nächsten Woche sollen vier Castor-Behälter vom stillgelegten Atomkraftwerk im brandenburgischen Rheinsberg ins neu errichtete Zwischenlager nach Greifswald/Lubmin transportiert werden. Genau wie beim sogenannten »Atomausstieg« geht es beim Abriß der Atommeiler in Rheinsberg und Greifswald vor allem um eine Weiterführung des weltweiten Atomprogramms.

Bisher wurde noch kein AKW dieser Größenordnung abgerissen. Mit diesem Experiment geht es den beteiligten Konzernen, wie beispielsweise Siemens, darum, neue Technologien und Verfahren zu testen, um sie weltweit vertreiben zu können. Darüber hinaus wird der Bevölkerung die problemlose Kontrollierbarkeit und Beherrschbarkeit der Atomtechnik suggeriert. Der angeblich mögliche Rückbau zur vielzitierten »grünen Wiese« soll nur der Legitimation für den Neubau von AKW in der ganzen Welt dienen.

Darüber hinaus stellt der Transport die Einweihung des nunmehr bundesweit dritten Zwischenlagers in Lubmin dar. Bei Betrachtung der Anlage fällt sofort ins Auge, daß die ausgedehnten Hallen nicht nur den Atommüll aus den abgeschalteten AKW in Rheinsberg und Lubmin aufnehmen sollen. Vielmehr bietet sich hier eine günstige Gelegenheit, den anhaltenden Widerstand in Gorleben und Ahaus bequem zu umschiffen. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, denn Lubmin liegt direkt am Ostseestrand.

Ostdeutsche Antiatominitiativen befürchten, daß, wenn dieser Castor-Transport »ohne nennenswerten Widerstand durchgezogen werden« kann, über kurz oder lang Lubmin als Alternative zu Gorleben und Ahaus gehandhabt wird. Außerdem entsteht dort gerade ein Hafen, der Transporte auf dem Seeweg, die schlechter zu blockieren sind, ermöglichen würde.

Schon seit zwei Wochen sind zahlreiche Polizeieinheiten in Rheinsberg und Umgebung stationiert. Der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm bestätigte, daß rund 5 000 Polizisten an der Transportstrecke im Einsatz sein werden. Neben dem zuständigen Polizeipräsidium Oranienburg haben auch Kommunen Versammlungsverbote verhängt. In Prenzlau und Umgebung verteilten Castor-Gegner ein Flugblatt mit dem Briefkopf der Kreisverwaltung Uckermark, in dem Verhaltensregeln für Castor-Unfälle gegeben werden. Weil das Papier nicht von der Kreisverwaltung stammte, erstattete die Behörde Anzeige. Mehrere Städte und Landkreise Mecklenburg-Vorpommerns erließen Versammlungsverbote.

In Potsdam sagte der innenpolitische Sprecher der CDU- Fraktion, Sven Petke, der 9. Mai sei der »zur Zeit konkrete« Transporttermin. Er werde »in den nächsten Tagen« bestätigt. Auftakt der Gegenaktivitäten soll am 6. Mai eine Demo unter dem Motto »Es gibt keine richtigen Castor-Transporte im falschen Atomausstieg« in Rheinsberg sein. Über 15 ostdeutsche Initiativen rufen zu Protesten und zivilem Ungehorsam gegen diesen Castor-Transport auf. Sollte der Transport früher und unangekündigt fahren, gebe es ein dezentrales Konzept für beide mögliche Routen, so die Initiativen. An mehreren Orten hätten Atomgegner schon erste Aktionen begonnen, teilten sie mit. Für die nächsten Tage seien Kundgebungen und Mahnwachen an mehreren Orten angemeldet.

Donnerstag, 3. Mai 2001

Mit Fackeln gegen die Vergangenheit

Für den 8. Mai planen Neonazis in Guben und Dresden Umzüge

Ralf Fischer / Junge Welt

Auch in diesem Jahr wollen militante Neonazis gegen den ihnen verhaßten »Tag der Befreiung« am 8. Mai demonstrieren. Bisher sind in Guben und Dresden Anmeldungen von rechtsextremistischen Gruppen bekannt. Nach Guben mobilisiert das Junge Nationale Spektrum zu einem nächtlichen Fackelumzug. Das Motto »Das ganze Guben soll es sein - feiert euren 8. Mai allein« bezieht sich auf die Teilung Gubens nach dem Zweiten Weltkrieg in einen polnischen und einen deutschen Stadtteil. Gerade in Berlin und auch im gesamten Brandenburg wurde und wird noch für diese angebliche Gedenkveranstaltung geworben. Nach Angaben von örtlichen Antifaschisten ist mit 300 bis 500 Teilnehmern an der Neonazidemo zu rechnen. Die Neonazis wollen sich gegen 18 Uhr am Busbahnhof in Guben versammeln.

Verschiedene antifaschistische und linke Initiativen haben ebenfalls Kundgebungen und Demonstrationen in Guben an diesem Tag angemeldet. Sie organisieren ab 17 Uhr am Busbahnhof unter anderem ein Konzert gegen die Provokation der Neonazis. Neben einer regionalen Gegenmobilisierung hoffen die Gubener Antifas auf Unterstützung von überregionalen Antifastrukturen.

Auch in Dresden wollen am 8. Mai zum wiederholten Male in diesem Jahr Neonazis aufmarschieren. Bisher ist noch nicht bekannt, wo diese Aktion stattfinden wird.

Mittwoch, 2. Mai 2001

Bürgerkriegsübung

NPD konnte im Schutze der Polizei in Berlin aufmarschieren

Ralf Fischer / Junge Welt

Begleitet durch massive Polizeimaßnahmen konnten am gestrigen 1. Mai rund 900 Anhänger der neofaschistischen NPD und der »freien Kameradschaften« unter dem Motto »Arbeit zuerst für Deutsche« durch den Berliner Stadtbezirk Hohenschönhausen marschieren. Antifaschistischen Gegendemonstranten gelang es nur vereinzelt, an die von der NPD organisierte Demonstration heranzukommen oder diese gar zu stören.

Nachdem vergangene Woche der NPD-Aufmarsch aus der Innenstadt nach Hohenschönhausen verlegt worden war, verhängte die Polizei über den nordöstlichen Außenbezirk eine Bannmeile. Polizeihubschrauber in der Luft, uniformierte Polizisten an jeder Straßenecke und verdeckte Polizeibeamte unter den Gegendemonstranten sollten die reibungslose Durchführung des NPD-Aufmarsches ermöglichen.

Dementsprechend glich der Bezirk am Vormittag einer Bürgerkriegsregion. Ab acht Uhr morgens mußten Personen, die nach Hohenschönhausen wollten, Ausweiskontrollen und Durchsuchungen über sich ergehen lassen. Zurückweisungen für angebliche Antifaschisten oder Linke waren an der Tagesordnung.

Die kurzfristige Veränderung des Sammelpunktes der NPD-Anhänger war laut Polizeiangaben Teil ihrer Deeskalationsstrategie und sollte der Verhinderung von Auseinandersetzungen dienen. Doch trotz aller Bemühungen, den Neonazis einen störungsfreien Aufmarsch zu gewährleisten, kam es zu Protestaktionen. Rund 300 Demonstranten versuchten, den von Hunderten Polizisten abgeschirmten Neonaziaufmarsch zu behindern. Es kam zu einzelnen Rangeleien, als Antifaschisten versuchten, eine friedliche Blockade zu organisieren. Die Polizei konnte jedoch jeglichen Blockadeansatz erfolgreich verhindern.

Trotzdem ist für die Antifa Hohenschönhausen die kurzfristige Organisierung von Widerstand in ihrem Bezirk zufriedenstellend. Es war ihrer Meinung nach kaum zu erwarten, daß ähnlicher Widerstand gegen den Aufmarsch der Neonazis zustande käme wie im linksalternativen Bezirk Friedrichshain.

Zu den 900 Neonazis, die sich am S-Bahnhof Hohenschönhausen am Vormittag sammelten, sprachen unter anderem der NPD-Vorsitzende Udo Voigt sowie der NPD-Verteidiger Horst Mahler. Doch neben dem NPD-Umfeld waren auch viele Anhänger der »Kameradschafts«szene an der Demonstration beteiligt. So trat auch die »Berliner Kameradschaft Germania« auf der Demonstration mit einem eigenen Block auf. Am Ende der Demonstration wurden einzelne Personen verhaftet. Ihnen wird vorgeworfen, verfassungsfeindliche Symbole und Kennzeichen gezeigt zu haben.