Donnerstag, 22. März 2001

Suspekte Tugenden

Antimilitaristen inszenieren in Potsdam einen Feldzug gegen alles Preußische

Ralf Fischer / Junge Welt

Aus Anlaß des 300. Jubiläums der Selbstkrönung von Friedrich III., Kurfürst von Brandenburg, zu Friedrich I., König von Preußen, wurde 2001 hochoffiziell zum »Preußenjahr« erklärt. Seit der feierlichen Eröffnung des Jubeljahres durch Bundespräsident Johannes Rau (SPD) und durch den brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) werden insbesondere in Brandenburg einige preußische Tugenden wieder hochgehalten, wenngleich sich Stolpe immerhin klar vom preußischen Militarismus und seinen Folgen distanzierte.

Von Anfang an haben diese Aktivitäten linke, antimilitaristische und antifaschistische Kritiker auf den Plan gerufen. Sie wollen ihren Protest gegen den Preußenkult im allgemeinen und gegen den positiven Bezug auf preußische Tugenden im besonderen nun gemeinsam in die Öffentlichkeit tragen. Für den kommenden Samstag haben zwei Potsdamer Antifa-Gruppen und die Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär zu einer Demonstration in Potsdam unter dem deftigen Motto »Preußen bleibt Scheiße« aufgerufen.

In einem Demonstrationsaufruf weisen die Organisatoren darauf hin, daß der Militarismus in der aktuellen Debatte häufig nicht mehr als typisch und als konstituierendes Element des preußischen Regiments benannt wird. Statt dessen werde er zu einer »universalen Erscheinung der Moderne« erklärt, der in allen Staaten, »besonders während deren Entstehung wirkungsmächtig« gewesen sei. Im Zusammenhang mit den Appellen der Politiker an Toleranz und Menschlichkeit der Bürger - häufig unter Bezugnahme auf das preußische Vorbild - betonen die Preußen-Gegner, Einwanderungs-, Flüchtlings- und Minderheitenpolitik sei auch damals selten »humanistisch motiviert« gewesen. Ausländische Fachleute seien nicht vorrangig deshalb ins Land geholt worden, weil sie wie die Hugenotten in ihrer Heimat verfolgt wurden, sondern aus ökonomischen Gründen. Toleranz bedeute zudem immer, »daß aus einer Machtposition heraus etwas anderes geduldet wird«.

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