Donnerstag, 17. August 2000

»Blood & Honour« in Halle

Sympathisanten und Geld für Neonazis durch Musik. Antifaschisten organisieren Widerstand

Ralf Fischer / Junge Welt

Eine zunehmende Rolle im Bereich des Rechtsextremismus spielt die Musik. Eine Reihe von neofaschistischen Organisationen wie »Blood & Honour« haben sich auf den Vertrieb von Tonträgern und die Organisierung von Konzerten spezialisiert. In Verfassungsschutzkreisen wird damit gerechnet, daß in der Bundesrepublik derzeit mindestens 100 neofaschistische Bands existieren. Die Musik dient als Transportmittel für die rassistische und faschistische Ideologie und als Rekrutierungsfeld für junge Sympathisanten. Der Verkaufserfolg beschränkt sich längst nicht mehr auf »Nazi- Skin-Musik«. Auch in den Bereichen Black Metal und Dark Wave hat sich Musik mit faschistischen Texten etabliert. Die Musikszene dient allerdings nicht nur als Rekrutierungsfeld, sondern auch zur Finanzierung ihrer Aktivitäten. Herstellung und Verkauf von Tonträgern und Zubehör ist zu einem Millionengeschäft geworden.

In Sachsen-Anhalt kommt der Verfassungsschutz zu dem Schluß, daß die »Blood & Honour«-Sektion in ihrem Bundesland »mit circa 40 Mitgliedern zu den wichtigeren >B&H<-Sektionen in Deutschland« gehört. 1999 fand in Sachsen-Anhalt, in Garitz, mit 2 000 Besuchern eines der größten Nazikonzerte der letzten Jahre statt. Einer der treibenden Kräfte in Sachsen-Anhalt ist Sven Liebich. Er trug mit dazu bei, daß es zu einer Neueröffnung des Neonaziladens »The Last Resort« in Halle kam. Mittlerweile hat sich der Laden zur Schnittstelle für die rechtsextreme Szene von Halle und Umgebung entwickelt.

Offizielle Betreiberin des Ladens ist Sandra Liebich, die Schwester von Sven Liebich. Antifaschisten aus Halle gehen davon aus, daß er sich aktiv am Aufbau des Ladens beteiligt. In Leipzig betreibt er zusammen mit anderen »Kameraden« zudem den Laden »Midgard«. Bei den Ermittlungsbehörden ist Sven Liebich kein unbeschriebenes Blatt: Bis 1999 war er Betreiber des »Ultima Tonträger Vertriebes«. Am 3. November 1998 waren »Ultima TV«, sowie sechs andere Objekte in Halle, im Saalkreis, in Leipzig und in Bamberg Ziel einer polizeilichen Razzia, bei der 2 700 CDs, 100 Videos, Hakenkreuzfahnen und eine Siebdruckmaschine beschlagnahmt wurden. In Kürze steht der Prozeß gegen die Organisatoren des Naziversandes an.

Nach Informationen von Antifaschistinnen und Antifaschisten aus Halle wird auch die rechtsextreme Zeitung Nationaler Beobachter über den Laden in Halle vertrieben. Die Zeitschrift hatte über im Internet verbreitete Gewaltaufrufe gegen Linke für Aufsehen gesorgt und ist nach Selbstdefinition das Sprachorgan des »Nationalen Widerstandes Halle«. Langsam beginnt sich der Widerstand gegen diesen Vernetzungspunkt der Neonaziszene zu organisieren.

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