Donnerstag, 8. Juni 2000

Sammelpunkt rechter Aktivitäten

Königs Wusterhausen: Antifa-Bündnis kündigt für 17. Juni Gegenoffensive an

Ralf Fischer / Junge Welt

Seit Jahren ist die südlich Berlins gelegene Kleinstadt Königs Wusterhausen (KW) eine Hochburg rechtsextremer Aktivitäten. In festen Strukturen organisiert oder Bestandteil einer rechten Sub»kultur« - Rechtsextremisten dominieren das Stadtbild von KW. Angriffe auf Migranten und Andersdenkende sind scheinbar zur Normalität geworden.

So zum Beispiel im November 1998: William Z., ein Flüchtling aus Kamerun, wird am Bahnhof von drei rechtsextrem orientierten Männern angegriffen. Taxifahrer, die den Übergriff beobachteten, verweigerten selbst nach Aufforderung jegliche Hilfe. Ungehindert konnten die Täter auf ihr Opfer einschlagen.

Große Teile der brandenburgischen Bevölkerung nehmen diese und andere braune Umtriebe kaum oder gar nicht zur Kenntnis; sie stehen damit im Einklang mit Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU). Obwohl es laut Verfassungsschutzbericht 1999 einen deutlichen Anstieg rechtsextremer Aktivitäten und Gewalttaten in Brandenburg gibt, übt sich Schönbohm lieber darin, über einen »Präventionsrat gegen Kriminalität« mit dem Schwerpunkt »Linksextremismus« zu debattieren. Diese Strategie der Verharmlosung rechtsextremistischer Aktivitäten und Hetze gegen antifaschistisch aktive Menschen und Organisationen hat Schönbohm schon zu seiner Zeit als Innensenator in Berlin erfolgreich angewandt. Mit bekannten Auswirkungen: Rechtsextremisten jeglicher Colour können in Berlin unter Polizeischutz marschieren, wann und wo sie wollen, während antifaschistische Strukturen kriminalisiert und ihre Demonstrationen allzu häufig verboten wurden. Eckart Werthebach führt diese Tradition fort.

Neben offenem Terror gegen politisch mißliebige Personen und Einrichtungen, gibt es Bemühungen der Rechtsextremisten in Königs Wusterhausen, eine Verankerung ihrer politischen Ideen auch innerhalb des jugend-kulturellen Bereichs zu erreichen und öffentliche Treffpunkte für sich zu vereinnahmen. Dies wird durch Arbeitsteilung gewährleistet: Auf der einen Seite die »unabhängigen« Kameradschaften, auf der anderen die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) mit ihrer Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN). Die Kameradschaften, die sich lange Zeit eine (sub)»kulturelle« Eigenständigkeit gegenüber Altnaziparteien, wie der NPD, bewahrt haben, sprechen eher den »erlebnisorientierten« Teil der rechten Jugend»kultur« an. Diese Strukturen binden die Jungnazis dann allmählich in ihren engeren Kreis ein, und wenn es sich anbietet, zeigt sich als mögliche höhere Karrierestufe die Rekrutierung als Kaderanwärter in der JN.

Als einflußreichste Kameradschaft in sogenannter »Anti- Antifa«-Arbeit vor Ort übt sich die Kameradschaft »United Skins Königs Wusterhausen«. Deren Spezialgebiet ist auch die Organisierung von »Blood & Honour«-Konzerten. Zudem bringt sie ein eigenes Skinhead-Fanzine heraus. Bislang autonom agierend, sammelt auch diese militante Gruppierung sich unter dem Dach der NPD und fungiert mittlerweile als deren »Schutztruppe«.

Die NPD im Kreis Dahme-Spreewald ist nach eigenen Angaben mit mehreren hundert Mitgliedern der zweitgrößte Kreisverband der NPD. Der langjährige Vorsitzende der NPD Berlin-Brandenburg, Lutz Reichel, ist weiterhin maßgeblich am Aufbau beteiligt. Er und andere Funktionäre organisierten diverse Veranstaltungen. Reichel hielt Mitte Februar diesen Jahres eine »Reichsgründungsfeier« in seinem Wohnort Friedersdorf nahe KW ab. Wenige Tage später baute er gemeinsam mit angereisten Kameraden und lokalen »United Skins«-Schlägern unter Polizeischutz einen NPD-Infostand in der Innenstadt von KW auf.
Durch den Anfang 2000 vollzogenen Umzug der Bundesparteizentrale der NPD von Stuttgart nach Berlin- Köpenick ist eine zunehmende Konzentration organisierter Faschisten im Südosten Berlins und Umgebung zu beobachten.

Für den 17. Juni hat ein breites Antifabündnis eine Demonstration unter dem Motto »Für eine antifaschistische Jugendkultur - den NPD-Zentralen in Königs Wusterhausen und Köpenick entgegentreten!« angemeldet. Sie richtet sich auch gegen einen von der NPD für denselben Tag angekündigten Aufmarsch. Die Demonstration soll aber nicht vom Aufmarsch der Nazis abhängig sein. Die Aufrufer wollen »durch ein breites antifaschistisches Bündnis« erreichen, daß die NPD ihre menschenverachtende, rassistische Hetzpropaganda nicht auf die Straße bringt.

Die Polizei teilte allerdings gestern mündlich ihr Verbot der Demonstration mit. Im Vorfeld wurden durch Polizei, Stadt und einige Medien NPD und antifaschistisches Bündnis als gefährlich gleichgesetzt. So haben die Königs Wusterhausener Stadtverordneten aller Parteien auch gegen die antifaschistische Bündnisdemonstration gestimmt und deren Verbot gefordert - getreu der Totalitarismus-These folgend. Das Antifa-Bündnis ruft trotzdem zur Demo auf. Beginn ist 11 Uhr, Bahnhofsvorplatz, KW.

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